Vor einiger Zeit hatte ich das Vergnügen für uns Whiskygraphen einen ganz besonderen Whisky vorstellen zu dürfen: den Ardbeg 26 Gourmetpool 1996 – 2022 aus dem Cask 817, einem Bourbon Barrel. Er wusste mich zu begeistern.
Und nochmals ist es an mir, einen Ardbeg von Gourmetpool präsentieren zu dürfen. Diesmal: der Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290. Für die Gelegenheit dazu darf ich mich erneut ganz herzlich bedanken.
Die Internetseite von Gourmetpool
Auf der Internetseite von Gourmetpool findet sich folgende Angabe zum Fass, die ich erst nach der Verkostung gelesen habe. Doch sei sie hier vorangestellt. Um dann anhand meiner zunächst diktierten und dann niedergeschriebenen Notes, wenn auch rein subjektiv, überprüft zu werden.
„Das Fass Nr. 3290 verzauberte Dr. Bill Lumsden, als er es in einer abgelegenen Ecke des erdgeschossigen Lagerhauses 10 verkostete. Reichhaltig und herrlich rauchig, trägt dieser Single Malt alle köstlichen Merkmale eines gealterten Ardbeg.
Dieser Whisky wurde am Montag, dem 4. November 2002, unter den wachsamen Augen von Stuart Thomson, dem damaligen engagierten Brennereileiter von Ardbeg, destilliert. Er wurde in Second-Fill-Bourbon-Fässern gelagert, die so ausgewählt wurden, dass sie sanfte Holznoten mit Ardbegs charakteristischem rauchigen Stil ausgleichen.“
Und weiter: „Als Dr. Bill den Whisky Jahre später verkostete, stach der archetypische Charakter von Cask No. 3290 aus dem Rest heraus. Und da er sich vorstellte, wie die Zeit seine Aromen weiter formen könnte, entschied er sich für eine noch längere Reifung. Heute, nach mehr als 20 Jahren in diesem Fass, ist dieser Single Malt all das geworden, was Dr. Bill sich erhofft hatte. Mit reichhaltigen, fruchtigen Aromen, die zu salzigen und überraschend rauchigen Geschmacksnoten führen, ist Cask No. 3290 Ardbeg in seiner besten Form.“
Das klingt sehr vielversprechend. Selbstverständlich lassen auch die Rahmendaten keine großartig andere Vorahnung zu. Ebenso die Bewertungen von Serge von Whiskyfun, 90 Punkte oder Ruben von Whiskynotes, 92 Punkte. Aber, machen wir die Probe der Probe selber. Auf geht es.
Rahmendaten:
Whisky: Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290
Destillerie: Ardbeg
Abfüller: Gourmetpool (Originalabfüllung für Gourmetpool)
Typ: Single Malt / Single Cask / Fassstärke
Land / Region: Schottland / Islay
Alter: 20 Jahre (04.11.02 – 15.02.23)
Fasstypen: Bourbon
Fass-Nummer: 3290
Flaschenanzahl: 229 Flaschen
Alkoholgehalt: 50,2 %
Kühlfiltrierung: Nein
Färbung: Nein
Preis: 2000 Euro
Whiskybase ID: WB244599
Auge / Anblick, Farbe:
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 9,5
Das erste, dessen ich mir nach dem Einschenken gewahr werde, ist ein vielschichtiges, komplexes Raucharoma. Zunächst mit Salz, maritimen und medizinischen Anklängen, sowie ein wenig Speck. Darunter liegt Vanille. Basal fundamental außerdem eine herrliche, sehr würzige Tabaknote. Dazu ein Spritzer Zitrone. Die Würzigkeit gewinnt in harmonischer Auseinandersetzung mit einer wundervoll süßen Note, die nicht ganz Karamell ist, aber in diese Richtung geht, die Oberhand.
Geräucherter Fenchel und frischer Tabak prägen mehr und mehr die würzige Rauchigkeit. Jene entfernt sich von dem vormals leichten Speckcharakter. Und der Fenchel wird passend zu Sternanis. Zentral wird immer mehr der Tabak in einer Würzigkeit unglaublicher Dichte und Intensität. Die Vanille wird zu einem dicken Vanillepudding. In ihm ein kleines Stück Mandarine.
Und die Würzigkeit wird noch komplexer. Sie wird um glattes, poliertes, verarbeitetes, glänzendes Eichenholz mit einem Tropfen flüssigem Wachs darauf ergänzt. Sowie ein wenig Leder. Und, angedeutet, eine verheißungsvolle Muffigkeit. Diese in Kontrast zu, und doch in perfekter Harmonie mit: Blütenstaub. Extrem komplex, extrem gut. 60 Minuten habe ich ihm Zeit gegeben im Glas für seine Entwicklung. Und der Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290 hat sie genutzt. Sehr, sehr schön. Von mir die 9,5.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 9
Ein kräftiger Antritt mit Rauch von trockenem Holz, einer wuchtigen Würzigkeit und einer dezenten Süße nach der ersten Geschmackswelle. Die Süße zeigt sich als Kombination von satter Vanille und etwas Fruchtsüße, die schwer greifbar ist, sowie etwas Zuckerwatte und braunem Kandiszucker.
Die Würzigkeit ist eine außerordentlich interessante Mischung aus Salz und Tabak. Auch hier mit etwas Fenchel. Und einer bitterstofffreien Holzaromatik, die mich an ein salzverkrustetes Stück Treibholz erinnert. Ohne das ich ein solches je in den Mund genommen hätte.
Überdies finde ich auch die wachsige Muffigkeit im Geschmack wieder. Dazu Erde und ein wenig Kiesel. Die Viskosität ist gut, also dick und zäh. Aber, auch wenn das sehr streng ist, für sehr gut müsste sie noch denser sein. Perfekt sind hingegen der Körper und die Alkoholeinbindung. Das Geschmackserlebnis ist insgesamt nicht so facettenreich, wie die Nase. Aber noch immer komplex und sehr gut. Es besticht vor allem durch die außergewöhnlich hohe Güte der Aromen. Toll, die 9.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 9,5
Ein langer Abgang mit sehr lange nachhallenden Eindrücken von Rauch, Torf und Erde. Dazu aufblitzend Salz und Tabak. Das Salz geht phasenweise ins Fleischige. Ganz spät entsteht ein flüchtiger Eindruck von gegerbtem Leder. Insgesamt spiegelt sich im Abgang das komplexe, wechselhafte Aromenspiel der varianten Würzigkeit aus der Nase sehr gut wider. Wunderbar, die 9,5.
Preisleistung (0 – 10): 4
2000 Euro für den Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290? Wie ist das? Kann ein Whisky überhaupt 2000 Euro wert sein? Schwere Fragen. Aber ich will ihnen nicht ausweichen.
Gourmetpool bekommt und vertreibt absolute Premium Whiskys. Nachzulesen auf deren Webside anhand der Rahmendaten der Tropfen, die sie anbieten. Wozu? Zum Sammeln. Zum Investieren. Und zur Verkostung.
Ein Sammlerobjekt, das 2000 Euro kostet? Warum nicht, wenn man in diesen finanziellen Regionen zu Hause ist. Investieren? 2000 Euro in eine Flasche Whisky? Warum nicht? Ich bin kein Investmentprofi, der die Alternativen überblicken kann. Hier könnte die Rechnung aufgehen.
Und 2000 Euro für das Geruchs- und Geschmacksvergnügen? Man ist geneigt direkt „nein“ zu sagen. Aber, ich will mal anders an die Frage gehen. 35 Drams ergibt eine solche Flasche. 2 Stunden kann ich mich sehr gut mit jedem einzelnen davon befassen. 70 Stunden pro Flasche also.
Der Stundenpreis
Hier sind wir also bei rund 30 Euro pro Stunde. Gebe ich die sonst irgendwo aus? Ja, durchaus. Beispielsweise auf Konzerten, in Musicals oder auch einmal im Theater. So gerechnet erscheint einem der Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290 schon nicht mehr so teuer. Und, wenn man ein Whisky Nerd ist, dann kann das Erlebnis durchaus mithalten. Ein akzeptabler Stundenpreis.
Würde ich mir eine Flasche kaufen? Eher nein, ehrlich gesagt. Schließlich kann ich mit 2000 Euro auch eine ganze Menge anderer Erfahrungen in der Welt des Whiskys machen, die ebenfalls sehr schön sind. Aber, würde eine Flasche davon hier stehen, sie überlebte ob ihrer Güte nicht lange.
Wer finanziell sehr schmerzfrei ist, dem würde ich durchaus raten, hier zuzugreifen. Das ist schon etwas sehr besonderes, das man da für sein Geld bekommt. Und auch ein Sample davon kann ich guten Herzens empfehlen. Insgesamt vergebe ich bei der Preisleistung die 4.
Gesamtbewertung (0 – 10): 9
So ausführlich der Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290 hier auch betrachtet und besprochen worden ist, 3 Aspekte konnte ich bisher nicht gut in Worte fassen. Sie seien hier ergänzt.
Erstens Ganzheitlichkeit
Erstens bildet unser Schema hier die Ganzheitlichkeit eines Whiskys nicht gut ab. Was ist damit gemeint? Wir beschreiben Nase, Geschmack und Abgang separat. Das hat sich durchgesetzt. Aber, ein Whisky ist auch ein Gesamtkunstwerk. Wie gut passt die Nase zum Geschmack? Wie gut dieser zum Abgang? Und wie geht alles ineinander über?
Diesbezüglich kann der Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290 allerhand bieten. Denn Geruch, Geschmack und Abgang sind für sich individuell sehr stark, können aber auch im Zusammenklang als harmonisches Ganzes absolut überzeugen. Eine Symphonie eines Orchesters, in dem jeder sein Instrument vortrefflich zu spielen weiß.
Zweitens Güte und Intensität
Zweitens können wir hier die einzelnen Aromen zwar assoziativ via verbum qualitativ beschreiben, sowie erwähnen, ob sie stark oder weniger stark ausgeprägt sind, aber die genaue Intensität und Güte der Einzelaromen machen wir nicht mit Zahlen nachvollziehbar. Was ist damit gemeint?
Nun, es mag sein, dass wir bei einen Standard Whisky Tabak ausmachen. Ebenso wie hier. Doch ist damit eben nicht differenziert in der Güte und Intensität der Aromatik. Sie könnte beim Standard Whisky hinsichtlich der Güte bei 4, hinsichtlich der Intensität bei 5 liegen. Beim Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290 würde ich sie hingegen in Intensität und Güte bei jeweils 9 sehen.
Fakt ist, dass die Aromen des Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290 von ausgesprochen hoher Güte sind. Sehr fein. Das hat man selten in dieser Qualität.
Drittens Erinnerungswert
Und drittens hat jeder Whisky, zumindest für mich, eine Qualität, die wir ebenfalls unberücksichtigt in unserem Schema lassen. Ich will sie den Erinnerungswert eines Whiskys nennen. Was ist gemeint?
Nun, Erinnerungen, beziehungsweise Gedächtnisinhalte, sind neurobiologisch und neuropsychologisch schwer zu verstehen und erläutern. Machen wir es uns einfach: in Abhängigkeit vom Erlebnis- und Erfahrungswert eines Whiskys, können wir diesen besser oder schlechter erinnern. Extreme, also besonders gutes oder besonders schlechtes, erinnern wir gut. Das gilt eben auch für die Geruchs- und Geschmackserfahrungen, die wir mit einem Whisky machen.
Wenn ich einen Whisky beschreibe, diktiere ich meine Eindrücke. Mache ich daraus ein Whiskygramm, muss ich diese Eindrücke, das Diktat, niederschreiben. Da dies nicht selten in großem zeitlichen Abstand zur Verkostung geschieht, kann ich währenddessen erleben, wie gut mir der Whisky in Geruch und Geschmack in Erinnerung geblieben ist. Wie klar habe ich den Whisky vor der inneren Nase? Wie klar auf der inneren Zunge?
Ein Whisky, der sich in dieser Weise in meiner Erinnerung gut abbildet, hat einen hohen Erinnerungswert. Und genau diesen attestiere ich dem Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290.
Er ist ein Kunstwerk der Komplexität, die nicht überfordert und durch klare Güte der Aromen besticht. Insgesamt großes Kino für die Geruchs- und Geschmacksnerven. Für mich die 9.
Fazit:
In der Whiskybase wird der Ardbeg 20 Gourmetpool Cask 3290 mit 92 Punkten bewertet. Allerdings bei erst 4 Urteilen. Ich sehe ihn bei 91 Punkten.
Und wie ist das nun? War das Fass eingangs gut beschrieben? Ich denke schon. Das Wesentliche ist genannt. Ich würde zwar nicht unbedingt die Fruchtigkeit hervorheben. Und eher die Würze in den Vordergrund stellen. Aber am besten ist wohl, ihr bildet Euch selber eine Meinung. Viel Freude dabei.