Wo fast 150 Jahre lang Funken sprühten, wenn flüssiges Eisen aus den Hochöfen strömte, fand am 15. und 16. März 2019 die Whisky’n’more im Industriemuseum Henrichshütte statt. Das ehemalige Hüttenwerk wurde im Jahre 1854 gegründet, eine Zeit, in der auch die ein oder andere schottische Destille ihre Arbeit aufnahm. So öffnete beispielsweise drei Jahre früher, im Jahre 1851, Dailuaine ihre Pforten. Und im Jahre 1855, als der erste Hochofen in der Henrichshütte angeblasen wurde, wurde Caledonian, die Grain-Whisky-Brennerei aus den Lowlands, gegründet. Diese fusionierte im Laufe der Zeit mit der Distiller Company Ltd, welche wiederum später im Getränkegiganten Diageo aufging. Im Jahre 1988 wurde die Destille stillgelegt.
Hochofen und Brennblasen
Ein Jahr früher, im Jahre 1987, wurde das Aus für die Henrichshütte durch die Thyssen Stahl AG verkündet und die beiden Hochöfen nacheinander ausgeblasen. Auf- und Niedergang von Unternehmen aufgrund von Konjunkturschwankungen und Konzernentscheidungen gab es also sowohl in den schottischen Whiskyregionen als auch im Ruhrgebiet. Neben dem Industriecharme in der über 1.000m² großen ehemaligen Gebläsehalle, als auch von den geschichtlichen Parallelen her gesehen, ein passender Ort für eine Whiskymesse. Wo gestern noch flüssiges Eisen floss, fließt heute flüssiges Gold.
Einen Caledonian habe ich bei meinem Besuch zwar nicht verkostet, aber dafür wieder einige andere tolle Malts, verbunden mit interessanten Gesprächen und Begegnungen. Über meinen Besuch am Messestand von St. Kilian habe ich bereits berichtet. Nun folgen die weiteren Erlebnisse.
Cask alive
Ein freundschaftliches Willkommen gab es bei Sebastian Büssing am Stand von Cask Alive. Der Genussexperte wartete schon mit dem Messewhisky auf, den er direkt aus dem Fass mit dem Valinch, einer Art Pipette, ausschank. Der Tropfen ist eine durchaus komplexe Komposition: Als Basis diente ein 9 Jahre alter First Fill Bourbon Cask Highland Single Malt, 30 Liter davon wanderten für 1 Jahr in ein frisches heavily toasted Fass aus europäischer Eiche und weitere 30 Liter in ein zurückgebautes Laphroaig Quarter Cask, ebenfalls für 1 Jahr. Beide wurden dann in einem 60 Liter umfassenden Limousin Eichenfass vermählt. Mit guten 54% ein durchaus deftiger Beginn, viel Eichenwürze, Anklänge von Vanille und Karamell, die leichte Rauchnote bleibt im Hintergrund. Lecker!
Neues aus Irland
Bei Mareike Spitzer von Irish Whiskeys lasse ich mich immer gerne auf den neuesten Stand bringen, was so in Irland passiert. Ursprünglich war es mal unsere die Idee, immer mit irischen Whiskeys in die Messe zu starten, da diese eher als mild und sanft gelten. Das dies aber nicht unbedingt gelten muss, hat uns Mareike unter anderem mit ihren eigenen Black Rock – Abfüllungen schon unter Beweis gestellt.
An diesem Tag aber begannen wir durchaus sanft mit einem 9-jährigen Clonakilty Grain Whiskey aus dem Bordeauxfass. Mit seinen 43,6% absolut mild und samtig, fast schon zu weich, perfekt für Einsteiger. Aber auch der fruchtige Bordeaux kommt hervorragend zum Vorschein und bringt jede Menge dunkle Früchte mit. Mich beeindruckt vor allem die Cremigkeit auf der Zunge. Prädikat lecker!
Als nächstes wurde mir von Mareike ein 12-jähriger Spade & Bushel ans Herz gelegt. Der dreifach destillierte Whiskey trägt den Beinamen Double Barrel, da er nach 10 Jahren Reifung in Third-Fill-Bourbonfässern noch einmal für 2 Jahre in First-Fill-Bourbonfässer umgefüllt wurde. Die Alkoholstärke ist mit 42,3% etwas geringer, trotzdem kommt er einem ad hoc kräftiger vor. Ganz klassische intensive Bourbonaromen, von der Nase bis zum Gaumen: Vanille, Honig, grüner Apfel, amerikanische Weißeiche, fruchtig und süß. Für mich ein Prototyp von Bourbonfassreifung. Die tolle goldene Farbe ist natürlichen Ursprungs, es wurde kein Farbstoff hinzugefügt. Der Hersteller ist die Connacht Whiskey Company, von der wir u.a. schon den Brothership und den Ballyhoo verkosten durften.
Neue Destille in Dublin
Und nun war auch der Zeitpunkt gekommen, endlich etwas von der Pearse Lyons Distillery aus Dublin zu probieren. Die in einer alten Kirche neu gebaute Destillerie ist eine der neuen aktiven Brennereien in Irland. Da sie auch Bier brauen, benutzen sie die dort verwendeten, speziellen Hefen auch zur Herstellung des Whiskeys, was den Spirit, neben der Tatsache, dass hier von der irischen Tradition abweichend, zweifach statt dreifach gebrannt wird, geschmacklich abheben soll. Zur Auswahl stehen mir die Blends mit 5 und 7 Jahren, letzterer beinhaltet unter anderem Whiskey aus Ale Bier-Fässern, und der 12-jährige aus First-Fill-Bourbonfässern. Im Angebot gibt es einen weiteren Blend, den Ha’penny der sich aus vier verschiedenen Fasstypen und zwei verschiedenen Whiskeyarten zusammensetzt: Single Malt aus dem Portweinfass, Single Malt aus dem Bourbonfass, Single Grain im Sherry Butt und Single Grain im zweifach ausgebrannten Bourbonfass gereift. Klingt alles interessant, aber ich entscheide mich für den Cooper’s Select, ebenfalls ein Blend mit einem nur geringen Anteil an Grain Whiskey. Er reifte für 4 Jahre in Bourbonfässern, diese wurden anschließend zusammengefügt und in First-Fill-Sherryfässer umgefüllt. Die Reifung erfolgte angeblich länger als ursprünglich beabsichtigt, somit sind es nochmal 4 Jahre Reifung in den frisch befüllten Fässern geworden. Das gewonnene Sherryaroma merkt man sofort, wenn auch dieser Whiskey für mich etwas aus der Reihe tanzt. Neben Vanille- und Fruchtnoten sind es für mich besonders Lavendel- und Wacholderaromen, die diesem Blend ihren Stempel aufdrücken. Er erinnert mich sogar entfernt an Gin. Im Geschmack kommen Holz- und Zitrusnoten hinzu. Die eher geringe Trinkstärke von 42% entfaltet sich kräftig genug am Gaumen. Ganz anders als erwartet dieser Tropfen, aber sehr interessant und lecker.
Irish Whiskey aus der Sicht eines Amerikaners
Es freute mich auch einen weiteren Experten in Sachen Irish Whiskey wiederzusehen, der heute sogar am Stand von Mareike aushelfen durfte: Whisky Jason. Wie immer mit der immer professioneller werdenden Kameraausrüstung unterwegs. Seine Video-Interviews könnt ihr euch hier anschauen.
Bloggertreffen bei Mackmyra
Auf dem Weg nach Schweden begegnen mir Tim Glittenberg von Whisky-Helden und Andre Davepon von Andres feine Notes. Zufälligerweise hatten wir alle dasselbe Ziel, eine schöne Gelegenheit also den nächsten Whisky gemeinsam zu verkosten: den neuen Mackmyra Äppelblom. Der Säsongswhisky der Schweden für dieses Frühjahr reifte in Fässern die zuvor mit Calvados von Christian Drouin gesättigt wurden. In Frankreich trinkt man gerne zwischen zwei Gängen eines Menüs einen Calvados, um „den Magen aufzuräumen“. Dies bezeichnet man als „faire le trou normand“, was der Google-Übersetzer wörtlich mit “das normannische Loch machen” übersetzt. Was auch immer, das machen wir jetzt, ein guter Zeitpunkt zwischen all den Gängen hier.
Zunächst etwas verhalten in der Nase, öffnen sich mehr und mehr frische Apfelnoten, dazu Birne und Zitrone. Auf der Zunge wirkt er zunächst weich, dann aber prickelnd und die Apfelnoten zeigt er eher im Hintergrund. Ja, so schmeckt auch Calvados und wenn man den mag, schmeckt einem auch dieser Whisky, aber so richtig begeistert ist niemand von uns. Durchaus ein mehr als passabler Frühlingswhisky der nicht überfordert, teils süß und fruchtig schmeckt, aber auch etwas herb nach Zedernholz. Wir stellen fest, dass wir alle etwas Blomstertid-geschädigt sind, denn dieser Whisky betörte seinerzeit mit einer unglaublichen Süße, wie wir sie nun wohl unterbewusst öfter von Mackmyra erwarten. Trotzdem: Wieder eine sehr gut gemachte Abfüllung.
Bis jetzt war es schön
Nach einem leckeren Craft Bier von Bräugier hieß der nächste Halt: Brühler Whiskyhaus. Marco freute sich scheinbar aufrichtig uns zu sehen, weil “es bis jetzt doch so schön hier gewesen wäre” und schenkte uns umgehend seine mitgebrachte Messeabfüllung in die Gläser. Ein 11-jähriger Glenallachie mit PX Sherry Cask Finish in Fassstärke. Süß, kräftig, voluminös, ohne Fehl und Tadel! Alles was man von einem PX Sherry gereiften Whisky erwartet, die 53,6% kommen ziemlich mild daher. Davon musste eine Flasche mit!
Rum für Whiskyfans
Um meinen Horizont ein wenig zu erweitern habe ich mich auch an den im Islay Fass nachgereiften Rum herangewagt. Der 12-jährige Karibikrum aus Belize wurde im Fass der ersten “Old man of Islay”-Abfüllung gefinished, was ihm einen deutlichen Rauchtouch gegeben haben soll. Ein interessantes Experiment. Der Rumbastic, wie er sich nennt, umspült die Zunge zunächst süß, wie ich es persönlich von einem Rum erwarte, um sofort mit dem rauchigen Aschenbecher zuzuschlagen. Ich habe schon rauchigere Whiskys getrunken, aber wahrscheinlich ist es der Kontrast, der mir hier den Kick gibt. Etwas ungewohnt, aber unerwartet lecker. Das Islay Fass hat hier alle Arbeit geleistet. Das sollte man unbedingt mal probiert haben.
Ein Cuvée énorme
Nach einigen weiteren leckeren Tropfen aus Marcos “A Dream of Scotland”-Reihe hatte ich dann noch die Ehre etwas ganz besonderes verkosten zu dürfen. Marco hatte eine Probe einer kommenden Abfüllung des französischen Whiskypioniers Michel Couvreurs unter der Ladentheke. “TRIA JUNCTA IN UNO” stand handschriftlich auf der Flasche. Drei vereint in einem. Ein Cuvée aus drei Fässern – 16, 25 und 29 Jahre alt, darunter der legendäre Bere Barley. Selbst für Couvreur-Verhältnisse ganz großes Kino! Ein Sherry-gereiftes Erlebnis der besonderen Art, wie man Whiskys aus dem Experimentierkeller Couvreurs kennt, nur in der höchsten Spielklasse. Ein herausragender Whisky, bei dem einfach alles stimmt. Danke Marco für die Gelegenheit ihn probieren zu dürfen!
Wie ich später recherchiert habe, ist es ein besonderer Whisky anlässlich des 30-jährigen Jubiläums (1989 – 2019) von Michel Couvreur und seinen Nachfolgern. Er wird sicherlich nicht ganz günstig werden, dafür wird jede Flasche aber in einer edlen Lederschatulle vom Kofferhersteller der Automarke Morgan präsentiert. Für Freunde des guten Geschmacks heißt es: Ab zur nächsten Whiskyfair in Düsseldorf, denn dort wird dieser „Cuvée énorme”, wie ihn Jean-Arnaud Frantzen, seines Zeichen Kellermeister von Michel Couvreur, selbst nennt, bereits erhältlich sein.
Der Whisky-Druide
Zu guter letzt habe ich es noch kurz geschafft bei Michel Reick, dem Whisky Druid, vorbeizuschauen. Der keltische Hohepriester des Lebenswassers ist nicht nur Wirt des Whisky Dungeon in Münster, sondern auch der Hüter der besten Drams, des schottischen Universums und alter Freunde: The keeper of Best Dram, Scotch Universe und The old friends. Hier hatte ich noch Gelegenheit zwei Whiskys zu probieren. Und die Wahl fiel zum einen auf einen Tullibardine von The Whisky Chamber. Die ansprechende, dunkle Farbe entstand durch 11 Jahre Reifung in einem Oloroso-Sherry-Hogshead. Kräftig und voluminös auf der Zunge, aber wesentlich würziger als alle anderen Sherry-gereiften Whiskys des Tages. So konnte man es vom Oloroso Sherry typischerweise erwarten.
Mein Wunsch nach einem “muffigen Warehouse”-Whisky beantwortete Michel mit dem Copernicus ‘18 von Scotch Universe. Hinter dem nach dem berühmten Astronomen des 16. Jahrhunderten benannte Tropfen verbirgt sich ein Blair Athol, der 30 Jahre in einem First Fill Oloroso Fass reifte. Und plötzlich saß ich gefühlt mitten in einem modrigen Warehouse, sherrygeschwängerte Luft, feuchte Eichenholzfässer. Ein Whisky nach meinem Geschmack. Der Preis regte allerdings nicht mein Spontankauf-Zentrum im Gehirn an.
Was auf der Strecke blieb
Ich hätte mich gerne noch weiter durch das Sortiment des Whisky Druiden probiert. Leider waren mir an diesem Tage nicht alle Stunden der gesamten Messe-Öffnungszeit vergönnt und ich habe einfach nicht alles geschafft, was ich mir vorgenommen hatte. So traf ich zum Beispiel noch Marco Jansen von Whiskyex auf einem der Gänge, der mir einen tollen Tropfen von Mortlach zeigen wollte. Ich habe es zeitlich nicht mehr geschafft. Nebenan wäre noch der Stand der Whiskybotschaft gewesen, hier hätte ich gerne mal vorbeigeschaut. Beim Whiskyhort gab es neben einigen eigenen Abfüllungen noch ein Fass von St. Kilian mit einem peated Malzbrand aus dem Amarone Cask. Bei Tom Skowronek von A nam na h-Alba hätte ich gerne die neuesten Kreationen verkostet. Es interessiert mich, was Claxton’s so zu bieten hat. All das und noch viel mehr muss ich auf die nächste Messe schieben.
Vielen Dank an Simon Vieth für das Titelfoto.
David Schlierenkämper
Macht Spass ! gut geschrieben
Hagen
Danke, freut mich! 🙂
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