Jede Frau weiß, dass entspanntes Shoppen am besten ohne den Partner möglich ist. Um sich nicht bei der Auswahl der neuesten Mode in die Nesseln zu setzen, flüchtet der Mann gerne in die nahegelegene Elektro- oder Heimwerkerabteilung, nicht immer zur Freude der Dame. Einige Shopping-Malls hatten daher schon die geniale Idee, ganz nach dem Vorbild von Kinderecken, einen Männerhort einzurichten. Wie im IKEA-Småland wird Mann hier abgegeben und kann sich mit Männersachen die Zeit vertreiben.
Ob der Whiskyhort in Oberhausen tatsächlich auch solch eine offizielle Zweigstelle eines großen Shoppingcenters in der Nähe ist, ist nicht überliefert. Allerdings könnte ich mir kaum einen schöneren Ort vorstellen, um für ein paar Stunden irgendwo geparkt zu werden. Eine riesige Auswahl toller Malts und die geballte Whisky-Kompetenz hinterm Ladentresen. Was will das Whiskyliebhaberherz mehr?
Diesmal musste ich die Shoppingreise erst gar nicht antreten, die Überraschung kam zu mir nach Hause. Jürgen Schneider hat mir zwei Samples von Whiskys zukommen lassen, deren Bezeichnung so toll klang, dass ich sie auch umgehend verkosten musste. Dazu habe ich selbstverständlich meinen Lieblingsnachbar und Whiskygraphen Patrick eingeladen. Wie sie uns gefallen haben, lest ihr hier.
Whisky: Tullibardine 2010-2019
Abfüller: Malts of Scotland
Typ: Single Malt
Land / Region: Schottland / Highlands
Alter: 9 Jahre
Fasstypen: Amarone Wine Finish
Flaschenanzahl: 639
Alkoholgehalt: 57,5%
Kühlfiltrierung: Nein
Färbung: Nein
Preis: 63 Euro
Whiskybase ID: 125901
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 8
Ein eindeutiger Duft von Pflaumen in der Nase, so süß, dass ich meinen Eindruck auf Aachener Pflümli steigere, die Zimtnote bringt mich auf die Idee. Süßer Zimtzucker mit etwas Eichenwürze dazu. Die Nase wird mit der Zeit immer gefälliger, auch wenn von Anfang an der Alkohol sowieso kaum spürbar ist. Das ist mir 8 Punkte wert.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 8
Erster Gedanke: Geil! Sehr kräftig auf der Zunge, sehr voluminös, aber nicht scharf, erinnert nun an gut durchgekochten Zwetschgenkompott. Die Süße hält lange an, geht dann mit der Zeit in würzige Eiche über. Schokolade und Kakao füllen den Mundraum. Sehr lecker!
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 8
Der Abgang ist wenig lang, nicht ultralang. Unseres Erachtens aber genau richtig dimensioniert. Irgendwann ist es dann auch gut mit der Süße und ein wenig Eichenholz setzt ein.
Preisleistung (0 – 10): 8
Der Preis geht meines Erachtens völlig in Ordnung. Amarone Finishes sind im Trend und dieses hier ist toll umgesetzt.
Gesamtbewertung (0 – 10): 8
Der Whisky ist einfach gut, rund und ausbalanciert. Darüber hinaus ist er nicht besonders komplex oder vielschichtig, aber einfach schön gemacht. Die intensive Nase und der mundfüllende Geschmack überzeugen, der Abgang schmiegt sich wunderbar an.
Im zweiten Durchgang wird es leicht rauchig…
Whisky: Edradour Ballechin 11 Jahre 1st Fill Madeira Hogshead
Abfüller: Signatory Vintage für die Unchill-Filtered Collection Cask Strength
Typ: Single Malt
Land / Region: Schottland / Highlands
Alter: 11 Jahre
Fasstypen: First Fill Madeira Hogshead
Flaschenanzahl: 320
Alkoholgehalt: 58,4%
Kühlfiltrierung: Nein
Färbung: Nein
Preis: 87 Euro
Whiskybase ID: 127474
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 8
Die Nase erscheint einem sofort komplexer als die des Tullibardine, allerdings noch nicht so prägnant voluminös.Die Rauchnote des Ballechin steht dezent im Hintergrund, vermischt sich toll mit Eichenduft und Fruchtsüße. Mit der Zeit entwickelt er sich im Glas und die Eindrücke verstärken sich. Ich erwarte eine kleine, unerwartete Explosion beim ersten Schluck.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 8
Hui, der ist erst mal kräftig auf der Zunge. Pfeffrig und süß, der explodiert tatsächlich auf der Zunge, umspült sie aber auch gleichzeitig cremig mit einer tollen Süße. Der Rauch bahnt sich erst nach und nach seinen Weg zu den Geschmacksknospen. Wir haben ein ständiges Wechselspiel der süßen, fruchtigen Madeiranoten mit dem Rauch erwartet, tatsächlich steht das Madeirafinish mit seinen dunklen Früchten und Orangenmarmelade zunächst im Vordergrund, um etwas von seinem Volumen dem angenehmen Rauch zu überlassen. Das gefällt uns und wir können uns spontan nicht erinnern, solch einen Whisky schon mal im Glas gehabt zu haben. Die Süße hält an, der Rauch verschwindet wieder etwas und macht der würzigen Eiche Platz. Der macht wirklich Laune!
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 8
Die Süße Orange klingt lange nach, während der Rauch leicht abklingt und sich mit Eichenwürze abwechselt. Toll!
Preisleistung (0 – 10): 8
An dieser Stelle bietet sich ein Vergleich mit den “Straight from the cask”-Abfüllungen von Edradour bzw. Ballechin an. Diese liegen preislich ungefähr auf demselben Niveau, allerdings in der 0,5-Liter-Flasche. Von daher geht auch hier der Preis in Ordnung.
Gesamtbewertung (0 – 10): 8
Die Zugabe von Wasser macht ihn etwas eichenholzlastiger, überraschenderweise wirkt der Rauch auch stärker. Interessant, aber ich würde ihn ohne Wasser trinken.
Man soll mit Superlativen aufpassen und vielleicht habe ich einfach noch zu wenige Madeirafinishes im Glas gehabt, aber das hier sicherlich mit das beste, das ich bisher probieren durfte.
Fazit:
Zwei wirklich tolle Whiskys, die der Whiskyhort sich hat abfüllen lassen, den Tullibardine übrigens zusammen mit Flickenschild. Wir würden es auch schreiben, wenn sie uns nicht gefallen hätten. Beide sind gelungen. Wenn ich mich entscheiden müsste… ich würde den Ballechin nehmen. Vielen Dank an Jürgen Schneider für die Überraschung und die kostenlosen Samples, die uns viel Freude bereitet haben. Es war eine wunderbarer Zeitvertreib.