Seit einiger Zeit ist nun schon der Whiskey des irischen Whiskey Bonders ‚Wayward Spirits‘ in Deutschland erhältlich. Der unter dem Namen „The Liberator“ abgefüllte Whiskey stammt dabei aus einer anderen Destillerie und wird im eigenen Lagerhaus in Fässer gefüllt und gelagert. Das Whiskey Bonding hat in Irland Tradition. Lange Zeit hatten viele Bars, Wein- und Spirituosenhändler eigene Fässer in ihren Kellern und füllten ihren Whiskey selber ab.
Bereits im Dezember des vergangenen Jahres, zu Beginn der Adventszeit, war ich von Mareike Spitzer von Irish Whiskeys zu einem „The Liberator Irish Whiskey“ Online-Tasting eingeladen, was mich sehr gefreut hat. Mit dabei waren der Inhaber von Wayward Spirits, Maurice O’Connell persönlich, sowie unsere Freundin und Spirituosenexpertin Julia Nourney. Große Prominenz auf der Referentenseite und auch im Chat der Webinar-Software gaben sich einige gute Bekannte der Whisk(e)ycommunity zu erkennen. Nun war es Zeit sich den Whiskeys und vor allem der Geschichte des Liberators zu widmen.
Die Familie O’Connell
Und Maurice ließ von Anfang an keine Zweifel aufkommen, dass dieses Tasting nicht nur eine Verkostung von Spirituosen sein wird, sondern auch eine interessante Geschichtsstunde. Denn die O’Connells sind eine alte, irische Adelsfamilie mit Sitz in der Grafschaft Kerry, in der der Handel mit Spirituosen eine lange Familientradition hat. Bereits ab dem Jahr 1450 importierte die Familie Weine und Brandys aus Spanien und Portugal. Das Geschäft wurde über 200 Jahre lang ausgebaut und nachdem das englische Parlament recht hohe Verbrauchssteuern auf Spirituosen eingeführt hatte, wurde die Familie zu einer Art Schmuggler. Im von Bergen umgegebenen und vom Meer aus schwer zu erreichendem Hafen Derrynane führten sie die Geschäfte weiter und bauten ihre Flotte sogar weiter aus. Weine und Spirituosen von der iberischen Halbinsel wurden gegen Butter und Tierhäute gehandelt.
The Liberator
Der wohl berühmteste Vorfahre der Familie O’Connell wurde 1775 geboren und war der irische Politiker und Freiheitskämpfer Daniel O’Connell. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte er sich mit friedlichen Mitteln vor allem für die Gleichberechtigung der Katholiken und die Aufhebung der Union zwischen Irland und Großbritannien ein. Seine Verdienste haben ihm den Namen „The Liberator“, der Befreier, eingebracht. In Irland gibt es heutzutage kaum eine Stadt, in der nicht eine Straße oder ein Platz nach ihm benannt ist. Und auch in Dublin, der Hauptstadt Irlands steht ein Denkmal zu Ehren von Daniel O’Connell.
Lakeview Estate und ein New Make
Neben der traditionsreichen Familiengeschichte kam Maurice auch bei der wunderschönen Lage des Anwesens kaum aus dem Schwärmen heraus, so dass Mareike ihn fast ein wenig einbremsen musste, damit wir endlich zum ersten Drink des Abends übergehen konnten. Bei der Verkostung des im Mai 2020 destillierten Single Pot Still New Makes, der zu gleichen Teilen aus gemälzter und ungemälzter Gerste hergestellt wurde, zeigte uns Maurice ein paar tolle Aufnahmen der Landschaft und der schönen Lage, „a foretaste to heaven“, wie er so schön betonte.
Die Gerste für diesen New Make stammt übrigens zu 100% aus eigener Landwirtschaft von den Feldern des Anwesens. Früher wurde hier noch Viehfutter angebaut, nun widmet man sich speziell der eigenen Gerste, die man noch zur Verarbeitung in eine andere Brennerei gibt, in der sie im Pot Still Verfahren zu einem fruchtigen und malzigen New Make verarbeitet wird. Und in der Nase hat man wirklich tolle getreidige Aromen, wie wenn man im Spätsommer durch die Felder spaziert, wenn die Mähdrescher am ernten sind und der Staub in der Luft liegt. Auf der Zunge ist der Spirit trotz kräftiger 63% ABV äußerst cremig, fruchtig und im Abgang trockener werdend.
Whisky Bonding und Mikroklima
Der erste Whiskey aus der selbst angebauten Gerste schlummert momentan noch im eigenen Warehouse und für die Zukunft plant Wayward Spirits auch eine eigene Brennerei zu errichten. Aktuell gibt es bereits ein paar Abfüllungen die in den alten Mauern des Estates gelagert, gereift, geblendet und abgefüllt wurden. Das Verdünnen des Whiskeys mit Wasser, um ihn auf eine passende Trinkstärke zu bringen, geschieht hier, auf Beratung von Expertin Julia, die Maurice auch sehr für die Einhaltung dieser Verfahrensweise lobte, sehr langsam. Denn es macht tatsächlich einen Unterschied, ob mehrere Hundert Liter Whiskey, die frisch aus dem Fass kommen, auf einen Schlag mit der entsprechenden Menge Wasser vermischt werden – oder ob dieser Prozess, bei dem sich die Moleküle verbinden und auflösen, langsam, teils über Tage oder sogar Wochen lang, passiert. Den Unterschied kann man im Endprodukt schmecken.
Ebenso Einfluss auf die Reifung hat das besondere Mikroklima in den Lagerhäusern. Das Anwesen liegt nah am Meer und u.a. der Golfstrom beeinflusst das Klima der gesamten Region. Die Daten von Luftdruck und Temperatur werden sogar erfasst und ausgewertet. An der Wetterkurve kann man gut erkennen, welchen klimatischen Änderungen die Fässer über das Jahr ausgesetzt sind. Dieses wechselhafte Lakeview-Mikroklima wirkt sich positiv auf die Reifung des Whiskeys aus.
The Liberator Tawny Port
Und Whiskey probiert wurde ja auch noch. Zunächst kam der Tawny Port ins Glas, ein Blend aus 2 Single Malts – ein sogenannter Vatted Malt. Einer stammt aus der Great Northern Distillery und wurde 2015 destilliert. Der andere kommt von Cooleys, stammt aus dem Jahr 2006 und bringt damit durchaus Reife mit. Beide durften, zusammen verblendet, noch 9 Monate in einem frischen Tawny Port Cask reifen. Durch die traditionellen, geschäftlichen Beziehungen nach Portugal kommt man hier an sehr frische Fässer eines befreundeten Weingutes.
Und das Endergebnis ist wirklich richtig gut. Der Portwein kommt mit seiner Süße und Cremigkeit hervorragend zur Geltung, aber wirkt keineswegs aufgesetzt. Typische Fruchtassoziationen wie Pflaumen und Feigen, auch in der getrockneten Variante als Soft Fruits, zeigen sich sowohl in der Nase als auch am Gaumen. Die Süße macht sich auch auf der Zunge deutlich bemerkbar, dazu kommen Orangenzesten, Mandeln und ein paar Nüsse. Leichte Anklänge von Leder und Kakao lassen auch einen gewissen Reifegrad erkennen. Die 46% ABV sind gut ausbalanciert und bieten einen angenehmen, längeren Nachhall. Mir hat er echt gut gefallen.
Double Port Cask
Beim Double Port Cask handelt es sich um einen Blend, der zu 42% aus Malt Whiskey aus der Great Northern Distillery und 58% Grain Whiskey von Cooleys besteht. Der Name Double Port bedeutet, dass diese Whiskeys sowohl in Tawny als auch in Ruby Port Casks reifen durften. Der Malt, destilliert im Jahr 2015 und damit insgesamt 5 Jahre alt, erhielt ein Finish von 9-12 Monaten in beiden Fassarten, nachdem er zunächst in klassischen Bourbonfässern reifte. Der 14-jährige Grain erhielt sein Finish ausschließlich für 1 Jahr in Ruby Port Casks.
Der Blend mit einem Alkoholgehalt von 45% bietet ein Aroma aus Beeren, Früchten, vor allem süßer Birne, Vanille und weißem Pfeffer. Auf der Zunge etwas würziger als erwartet, aber auch mit leckeren Aromen von Schokolade, Trockenaprikosen und Sauerkirschmarmelade. Ein sehr leckerer Whiskey.
Dekanter
Mir persönlich gefallen die Flaschen sehr gut, das Auge trinkt ja mit. Meine Frage, ob denn die Flaschenform vielleicht auch irgendwas besonderes zu bedeuten hätte, beantwortet Maurice damit, dass man sich lediglich etwas optisch abheben möchte und daher diese Dekanterform gewählt hat. Meiner Meinung nach, auch mit dem großen, schweren Korken, ein wirklich gelungenes Design.
Schon bei Mareikes „Irish Whiskey Wochenende“ wurde ich auf The Liberator Whiskey aufmerksam und war wirklich froh über die Einladung zu diesem Online-Tasting, um damit die Verkostung der Whiskeys nachholen zu können. Vielen Dank für diese Einladung, Mareike! Vielen Dank auch an Maurice für die sehr sympathische und enthusiastische Vorstellung seines Unternehmens und an Julia für das, wie immer, umfangreiche und lehrreiche Expertenwissen!