Wer kennt ihn nicht? Den Johnnie? Den Johnnie W., dem Marius Müller-Westernhagen seinen Song gewidmet hat. Kann er auch mein bester Freund werden?
Natürlich ist der Johnnie Walker schon häufig in meinem Glas gelandet. In diversen Ausführungen. Als Red Label, Als Black Label oder auch als Double Black. Ebenso, erst kürzlich bei meinem Freund Peter, als 15-jähriger Green Label. Oder als Gold Label.
Den Green Label fand ich übrigens überraschend gut. Sehr würzig und durchaus mit einer gewissen Tiefe für einen Blended Whisky zu diesem Preis. Und auch den Johnnie Walker Blue Label hat es schon häufiger für mich gegeben. Er allerdings wollte mich nie so recht begeistern.
Als ich nun mal wieder ein wenig aufgeräumt habe, fiel mir eine recht sperrige Box in die Hände. Sperrig und Platz raubend. Darin der Johnnie Walker Ultimate 18. Und, siehe da, 2 5 cl Samples des Johnnie Walker Blue Label.
Der Blue Label genießt bei eingefleischten Whisky Fans keinen guten Ruf. Das Preis-Genuss-Verhältnis lässt da doch sehr zu wünschen übrig. Aber, von Zeit zu Zeit sollte man seinen Whisky Geschmack doch auf die Probe stellen.
Und, immerhin, den Green Label fand ich kürzlich nicht schlecht. Außerdem war da ja auch der Johnnie Walker Celebratory Blend gewesen. 2020 wurde unter anderem mit ihm dem Beginn des Wirkens von John Walker vor damals 200 Jahren gedacht. Und der war richtig gut.
Also, warum nicht? Warum nicht dem Johnnie Walker Blue Label, einem Nachfahre des Old Highland Whisky, erneut eine faire Chance einräumen? Gesagt, getan. Hier das Ergebnis.
Rahmendaten:
Whisky: Johnnie Walker Blue Label
Destillerie: Diverse, u. a. Cardhu und Royal Lochnagar
Abfüller: John Walker & Sons / Diageo
Typ: Blended Whisky
Land / Region: Schottland
Alter: NAS / keine Altersangabe
Fasstypen: keine Angabe
Alkoholgehalt: 40,0 %
Kühlfiltrierung: Ja
Färbung: Ja
Preis: 170 Euro
Whiskybase ID: WB51152
Auge / Anblick, Farbe:
Da der Johnnie Walker Blue Label gefärbt ist, kann man aufgrund seiner Farbe ohnehin leider nichts schlussfolgern. Insofern habe ich mir nicht die Mühe gemacht, seinen Anblick herauszufinden.
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 8,5
Nach dem Einschenken geht es verhalten mit süßen und leicht würzigen Aromen in der Nase los. Ich mache Wachs, Marzipan, Leder, Pergament und Mandel aus. Dazu Aprikose und Pfirsich. Eine Mischung aus mineralischen Tönen, Rauch, Eiche, Staub und Erde, allerdings jeweils lediglich in Spurenelementen vorhanden, verleiht dem Johnny Walker Blue Label eine gewisse Tiefe. Die Süße differenziert sich zu Zuckerwatte, Karamell, Schokolade und Vanille aus. Insgesamt ergibt sich eine Art Jahrmarktsüße.
Nach dem zurückhaltenden Auftakt macht der Blended Whisky eine gute Entwicklung im Glas. Am Ende dieser stehen 4 Aromenfelder: erstens die Jahrmarktsüße. Zweitens eine Fruchtsüße. Drittens die tiefe Würze. Und viertens jene Würze, wie wir sie von sehr alten Abfüllungen kennen. Man muss sich tatsächlich Zeit für ihn nehmen. Geduldig. Aber dann ist das Ergebnis doch überzeugend. Warum? Weil sich hier doch die Komplexität älterer Whiskys mit der Harmonie von Blended Whiskys einträchtig verbindet. Positiv überrascht die 8,5 von mir.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 5,5
Ein erschreckend zurückhaltender, oder, sind wir ehrlich, nichtssagender Antritt. Im sehr flüchtigen und dünnen Munderlebnis strenge ich mich sehr an, um Aromen ausmachen zu können. Eine gewisse Süße und ein leichter Eichenton scheinen aufzutauchen. Während ich die Jahrmarktsüße und die Fruchtsüße aus der Nase vermisse, geht die Eichennote in Richtung Bitterkeit. Karamell, Zartbitterschokolade, Milchschokolade und Cappuccino zeigen sich.
Der Alkohol beißt zwar nicht, aber er ist auch sehr weit entfernt davon ein gutes Vehikel für die Aromen des Johnnie Walker Blue Label zu sein. Der Körper ist viel zu klein. Und die Textur viel zu weitmaschig. Bei allem Respekt, aber das ist insgesamt einfach wässrig. Und aromatisch eindimensional. Leider! Denn die Nase hatte doch auf einiges hoffen lassen. So gibt das nur die 5,5.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 6,5
Ein kurzer Abgang. Initial sehr gelungen mit Cappuccino, Karamell und Eiche. Allerdings dann rapide abflachend. Keine Aromen hallen besonders lange nach, abgesehen von leicht bitteren Noten von Mandeln und Espresso. Nicht schlecht, aber ein wenig schwach auf der Brust, der Johnnie Walker Blue Label. So die 6,5.
Preisleistung (0 – 10): 3
170 Euro für den Johnnie Walker Blue Label? Nein. Ernsthaft würde ich erst anfangen über einen Kauf nachzudenken, wenn er deutlich unter die 100 Euro Marke gesunken ist. Da fallen mir viele bessere Alternativen ein.
Gesamtbewertung (0 – 10): 6,5
Lediglich 1 von 10000 Fässern kommt angeblich für den Blue Label in Frage. Da würde ich mir mal Gedanken über den Prozess der Auswahl machen. Er soll das Premium Segment bei Johnnie Walker abdecken. Vom Preis her schafft er das. Von der Nase her vielleicht auch noch. Niemals aber vom Geschmack her.
Und das ist bedauerlich. Denn es lässt sich sensorisch doch erahnen, dass da tatsächlich einige ganz tolle Fässer drin sind. Das ist aber einfach nicht gut geblended, sorry. Es mag sein, dass sich dieses Premium-Gehabe bei Status Symbol verliebten Möchtegern-Geschäftsleuten in der Hotelbar durchsetzt. Whiskygenießer bevorzugen da hingegen den Ben Bracken oder Glenalba aus dem LIDL. Für etwa ein Viertel des Preises. Insgesamt die 6,5.
Fazit:
In der Whiskybase wird der Johnnie Walker Blue Label mit knapp über 83,5 Punkten bewertet. Da kann ich ungefähr mitgehen. 83 Punkte für einen Whisky, der nicht wehtut. Aber auch nicht mitreißt. Insofern: mein bester Freund wird er wohl eher nicht.