„Früher war alles besser“, so lautet ein beliebtes Pseudoargument in allen möglichen Diskussionen, Debatten und Beurteilungen, dass auch und gerade nicht vor der Welt des Whiskys Halt gemacht hat. Nicht selten hat man die Gelegenheit eine neue Abfüllung an einer älteren analogen zu messen. Und hier prallen dann verschiedene Interessen aufeinander, die im Marketing großer Konzerne perfekt harmonisiert werden können. Früher war zwar alles besser, aber das Gegenwärtige hat auch neue Qualitäten und das Alte war aus Kostengründen nicht mehr zum gleichen Preis produzierbar. Und schon kann man günstiger Produziertes zu höheren Preisen verkaufen, während die Seltenheit des Alten schneller steigt und sich auch dort die Preise in ungeahnte Höhen emporschwingen. Und dann hat man auch noch dem Kunden Recht gegeben. Alle haben gewonnen oder, so ist es vielleicht ehrlicher, die Verlierer fühlen sich wenigstens als Sieger.
Diese Entwicklung im Bereich der Single Malts, ihr gigantischer, weltweiter Siegeszug, scheint seit dem Engagement von Glenfiddich Mitte der 60er Jahre anzuhalten. Es gab und gibt viele Gründe für den Boom des Whiskys allgemein und des Single Malts im Speziellen. Einer ist sicherlich der steigende Wohlstand, ein anderer das Marketing, so zum Beispiel auch die Einführung der Classic Malts Serie von United Distillers, also Diageo 1987. Die wahrhaft wunderbare Seite daran ist natürlich, dass wir Whiskyliebhaber in den Genuss sehr vieler wirklich toller Malts kommen können. Wie dem auch sei, welche Faktoren auch wie wirken mögen, ein Vergleich von älteren zu neueren Whiskys ist überaus interessant.
Dankenswerter Weise hat mir Klaus Postert von Postert-Whisky ein Sample eines 12-jährigen Glenlivets aus den 70er Jahren überlassen. Und noch einmal ganz kurz, knapp und sicherlich auch etwas zu einfach, aber somit unmissverständlich. In den 70er Jahren war der Single Malt im Aufschwung begriffen, musste sich seinen Ruf gegen die gefälligen Blended Malts noch hart erarbeiten, da musste durch Qualität überzeugt werden und da landeten auch gerne ältere Fässer in einem Single Malt, der mindestens 12 Jahre alt sein musste. Heute ist die weltweite Nachfrage nach Single Malts ungebrochen hoch und steigt eher noch, weshalb der Druck qualitativ hochwertig produzieren zu müssen, nachgelassen hat. Gewinnmaximierung und Optimierung sämtlicher Prozesse sind an der Tagesordnung.
Was erwarte ich also? Ich erwarte Whiskys, die ich als die gleichen erkennen kann, die sich aber doch hinsichtlich ihrer Qualität deutlich unterscheiden. Der Glenlivet aus den 70er Jahren wird vermutlich komplexer und vielschichtiger sein. Bilden wir uns eine Meinung. Im Schema dargestellt ist der aktuelle Glenlivet 12.
Distille: Glenlivet
Abfüller: Glenlivet
Typ: Single Malt
Land / Region: Schottland / Speyside
Alter: 12 Jahre
Fasstypen: Bourbon
Alkoholgehalt: 40%
Kühlfiltrierung: ja
Färbung: ja
Preis: 33 Euro
Whiskybase-ID: 29038
Auge / Anblick, Farbe:
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 6,5 / 7,5
Tatsächlich braucht der Malt ein wenig Zeit zur Entfaltung, erst müssen sich leicht alkoholische Noten verflüchtigen. Es kommen schöne, volle, süße Aromen zum Vorschein, die Getreide und Malz verheißen. Ein blumiges Bouquet mit Gerüchen von Wiese und Heu sind ebenso zu entdecken, wie leichte Fruchtsäuren von Orange, Zitrone und Kirsche. Einfach, aber gut, die 6,5.
Der Vertreter aus den 70er Jahren unterscheidet sich deutlich. Das floral-blumig Hell-Leichte ist wesentlich dezenter ausgeprägt, insgesamt wirkt der Malt aber doch süßer und schwerer, sozusagen dunkler. Malz ist zwar auch vorhanden, aber die Süße geht eher in Richtung Vanille. Der Whisky ist komplexer und harmonischer zugleich und überdies kommt eine klare Würzigkeit hinzu, die etwas in Richtung Liebstöckel oder Maggi geht, ins Fleischige. Die Aromen sind wunderbar verwoben und bieten ein schönes Wechselspiel. In Bezug auf Fruchtigkeit und Säure lässt sich hier nicht so klar differenzieren. Ein toller Riechgenuss, die 7,5.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 7 / 8,5
Der Malt tritt etwas verhalten an, steigert sich aber schön. Fruchtig-süß bietet er den Geschmack von Orange, Pflaumen und Kirschen, deutlich getragen von süßen Malznoten. Töne von Toast und Röstaromen sind deutlich präsent. Durchaus vielseitig, aber doch klar und direkt. Der Alkohol ist gut eingebunden, der Körper voll, die Konsistenz in Ordnung. Ist mir die 7 wert.
Auch im Geschmack hebt sich der Vertreter aus den 70er Jahren deutlich ab. Ich würde ihn für wesentlich älter als 12 Jahre halten. Cremig-butterig kommt er daher, mit einer tollen Süße von dunkler Schokolade und Karamell, die von Röstaromen und leicht angebranntem Toast begleitet wird. Ein geringer Eichenton kommt durch, stärker hingegen eine Fruchtigkeit von Orange und Pflaume. In den Schokoladenton mischt sich ein Hauch Espresso und wie in der Nase ergibt sich ein komplexes Wechselspiel der Geschmacksstoffe. Wunderbar, die 8,5.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 7 / 7
Ein mittellanger Abgang mit einer leichten Bitterkeit von Kaffee und Röstaromen. Noten von leicht angebranntem Toast lassen sogar etwas an Rauch denken. Insgesamt aber lange süß persistierend mit dem Nachklang von sehr heller Zartbitterschokolade. Gut, die 7.
Der mittellange Abgang ist bei dem Vertreter aus den 70er Jahren sehr ähnlich. Zartbitternoten wechseln sich mit Kaffeenoten ab, eine Süße bleibt permanent. Auch eine 7.
Preisleistung (0 – 10): 7,5
Der aktuelle Glenlivet 12 ist ein schöner Standard zu einem guten Preis. Ich bin nicht sicher, was man derzeit für eine Abfüllung aus den 70er Jahren zahlen muss, daher kann ich auch hier die Preisleistung nicht bewerten.
Gesamtbewertung (0 – 10): 7 / 8
Insgesamt bewerte ich den aktuellen Glenlivet 12 mit guten 7 Punkten, den aus den 70er Jahren mit 8 Punkten.
Fazit:
Quod erat demonstrandum, früher war alles besser.