Als mich Basti von Whisky Germany via Instagram anschrieb und fragte, ob ich Interesse an einem Fettercairn-Online-Tasting hätte, musste ich natürlich nicht lange überlegen. Diese Art von Tasting ist aktuell einfach eine wunderbare Beschäftigung für zuhause. Und die Brennerei in den östlichen Highlands ist mir natürlich gut bekannt. Ähm. Ist sie das?
Naja, doch nicht so ganz, wie ich feststellen musste. Der Name Fettercairn ist mir geläufig. Und ich habe einige unabhängige Abfüllungen, z.B. von Signatory Vintage in Erinnerung. Und ich hätte schwören können, dass wir bereits eine Flasche mit einem Whisky von Fettercairn in unserem Portfolio haben. Eine Suche in meiner Whiskybase-Sammlung und in unserer Flaschenteilungs-Tabelle lief allerdings in Leere. Gut möglich, dass ich zumindest auf irgendeiner Whiskymesse mal einen Fettercairn im Glas hatte, aber feststellen lässt sich das nicht mehr. Überraschenderweise betrat ich hier also Neuland, was mich umso mehr freute.
The license to distill
Die 1824 gegründete Destillerie Fettercairn war nach Glenlivet die zweite überhaupt, die die offizielle Lizenz zum Brennen erhalten hat. Das mit dem Brennen hat man wohl ein paar Jahrezehnte später zu wörtlich genommen, denn nach einem Brand musste die Destillerie zwischen 1887 und 1890 fast komplett neu aufgebaut werden.
So wie die meisten schottischen Destillerien musste auch Fettercairn einige Besitzerwechsel über sich ergehen lassen. Seit 1973 gehört sie zu Whyte & Mackay, deren berühmtester Repräsentant der Masterblender Richard Peterson ist und zu denen auch die Brennereien Dalmore, Invergordon, Tamnavulin und Isel of Jura gehören.
Die beiden wash stills und die zwei spirit stills produzieren rund 1,6 Mio. Liter Alkohol pro Jahr. Ein Großteil der Produktion wird seit jeher für die unternehmenseigenen Blends von Whyte & Mackay verwendet. Daneben gab es einige unabhängige Abfüllungen, z.B. von Signatory, Douglas Laing oder Ian MacLeod, ein eigenes Kernsortiment gibt es noch gar nicht so lange. Zu Anfang gab es lediglich eine einzige Originalabfüllung mit dem 10- und später 12-jährigen. Erst 2009/2010 kamen der Fasque und der Fior, sowie für das obere Preissegment Abfüllungen mit Altersangaben von 24, 30 und 40 Jahren hinzu.
Es ist nie zu spät das Einhorn zu satteln
Optisch auffallend ist sicherlich das Einhorn als Logo für die Brennerei, welches ein Überbleibsel aus dem Familienwappen der Gründerfamilie Ramsay ist. Eine weitere Besonderheit gibt es an den Brennblasen zu entdecken. An den Hälsen fließt nämlich kaltes Wasser aus sogenannten „cooling rings“ an den Außenwänden herab, welches das Kupfer kühlt und zu einem höheren Reflux führt. Das bedeutet, dass mehr aufsteigende Alkoholdämpfe im Inneren an der Kupferwand kondensieren und wieder in den Topf zurückfließen. Das betrifft vor allem die schwereren, öligen Bestandteile, die leichteren schaffen es eher durch den Schwanenhals in die Kondensatoren, was letztlich zu einem weicheren und milderen Whisky führt. Sicherlich eine einzigartige Methode und Grund genug sich dem Einhorn-Whisky endlich mal näher zu widmen.
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Das Tastingset
Nachdem als Folge des Brexit zurzeit die ein oder andere Lieferung mit Whisky etwas länger beim Zoll hängen bleibt und wir das Tasting folglich um ein paar Tage verschieben mussten, erreichte mich dann aber pünktlich ein tolles und optisch ansprechendes Tastingset. Neben der Core Range, die es so wohl seit 2018 mit einer 12-, 16- und 22-jährigen Abfüllung gibt, war ein Mysterysample, ein kleines Flakon mit New Make und die neue Sonderabfüllung mit dem Namen „Warehouse 2“ dabei.
Das Tasting mit dem Destilleriemanager
Die Idee mit dem kleinen Sprühfläschchen voll New Make fand ich eine besonders schön. So konnte man sich ein wenig des Geschmackes vom Rohbrand auf die Zunge geben und einen Hauch von Destillerieduft ins Zimmer zaubern. Passend dazu waren im Zoom-Meeting nicht nur jede Menge Vertreter der Destillerie und des deutschen Importeurs Mack & Schühle vertreten, sondern auch der Distillery Manager Stewart Walker persönlich gab sich die Ehre. Eine Begegnung, die man unter normalen Umständen sicherlich sonst nicht in den heimischen vier Wänden macht, auch wenn sie nur virtuell war. Stewart erzählte, dass er in dem gleichnamigen Ort rund um die Destillerie aufgewachsen ist und seit über 30 Jahren dort arbeitet. Viel mehr Whisky-Erfahrung in einem Leben geht wahrscheinlich nicht.
Ein Einsteigerwhisky
Den Einstieg in das Tasting machte der 12-jährige Standard. Ganz klassisch gereift in Ex-Bourboncasks und abgefüllt mit dem Minimum von 40%. In meiner Sturm-und-Drang-Phase der Whiskyentdeckungszeit hätte ich wahrscheinlich nichtsahnend mit der Stirn gerunzelt. Als Neuling jagt man plötzlich sehr schnell nur noch hinter Fassstärken und besonderen Fassreifungen her, aber man wird mit dem Alter auch wieder weiser. Und so war ich doch sehr neugierig auf diesen Whisky. Und mit seinem milden Aroma von tropischen Früchten wie Mango, süßem Getreide und gezuckertem Malz sowie hellen Früchten ist das für mich ein perfekter Einsteiger für jedes Tasting.
Das Warehouse 2
Der Stargast des Abends war die neue Sonderabfüllung mit dem Namen „Warehouse 2“. Die Namensgebung bezieht sich auf eines der 14 Dunnage Warehouses der Brennerei. Der Whisky setzt sich aus 19 verschiedenen Fässern unterschiedlicher Art im Alter von 10 und 11 Jahren zusammen. Die Fasszusammensetzung ist auf dem Label im Verhältnis der jeweils beigefügten Anteile dargestellt. Darunter sind zu 40% Tawny Port Pipes und 35% Ex-Bourbon-Casks. 20% der Fässer sind Oloroso Sherry Fässer aus amerikanischer und europäischer Eiche. Und 5% machen frische Virgin Oak Casks aus. Eine vielfältige Mischung – macht das den Whisky auch komplex?
Der Geschmack ist tatsächlich vielschichtig. Man findet wieder die tropischen Früchte, aber auch viel Eichenholz und würzigen Zimt. Dann wieder süße Birnen und Melonen sowie Café Crema und Waldhonig. Wer ihn probiert, dem rate ich unbedingt ihn erstmal eine Weile im Glas zu lassen, denn nach einer Zeit entwickelt er sich spürbar großartig. Gebt ihm ruhig 15 bis 30 Minuten Zeit.
Hype um die 16
Der 16-jährige Whisky erfreute sich in den letzten Monaten größter Beliebtheit. Bei dem ein oder anderen Bloggerkollegen wurde er sogar zum Whisky des Jahres 2020 auserkoren. An mir ging er leider völlig vorbei und war dann auch irgendwann nicht mehr zu bekommen. Zwischendurch habe ich noch ein Sample ergattern können und konnte den kleinen Hype durchaus nachvollziehen. Schön also, dass diese Abfüllung auch an diesem Abend mit am Start war. Und ich habe durchaus überraschendes neues darüber erfahren.
Das Besondere an diesem Whisky ist, dass er aus sogenanntem Chocolate Malt gebrannt wurde. Das ist ein Spezialmalz, welches ansonsten zur Herstellung für Biere verwendet wird und diesem einen nussigen, schokoladigen und besonders gerösteten Geschmack verleiht. Und Stewart erzählte auch, wie er sich gerne daran erinnert, als beim Brennen der ganze Ort nach Schokolade und geröstetem Karamell roch.
Der Whisky wurde in Ex-Bourbonfässern gereift und erhielt noch ein Finish in Port- und Sherryfässern. Und die Aromen spiegeln diese Mischung absolut wieder: Nüsse, Karamell, Röstkaffee – dazu einige bunte Früchte und viel Schokosauce. Ein wirklich leckerer Whisky mit einem Wermutstropfen. In dieser Art wird es ihn nicht mehr geben. Zwar wurde Nachschub für eine 16-jährige Abfüllung angekündigt, allerdings ohne Chocolate Malt und „nur“ aus PX-Sherryfässern. Muss aber ja auch nicht schlecht werden.
22 Jahre
Es ist ja wirklich nicht so, dass Alter unbedingt alles ist. Aber an diesem Abend war es dann doch wieder so, dass der älteste Whisky des Abends letztendlich mein Favorit war. Das Alter spricht für sich, dann noch abgefüllt mit einer schönen Trinkstärke von 47% und ausschließlich gereift in Ex-Bourbonfässern – das sind alles Kriterien für meine aktuelle Zielgruppe. Und da wurde ich nicht enttäuscht. Auch der 22-jährige zeigt die typischen Aromen von tropischen Früchten, allerdings in wunderbarer Kombination mit reifem Holz, das aber sehr fein und nicht wuchtig wie Omas Eichenschrank daherkommt. Dazu etwas Vanille, ein wenig Honig, Mandeln, Getreide und Puderzucker. Hat mir wirklich sehr gut gefallen!
Ein 23-jähriger Mystery-Dram
Den Abschluss des Tastings machte ein Blindsample, welches wir erraten durften. Doch Andrew, der sympathisch durch den Abend leitete, rutschte das Alter etwas zu vorschnell raus. Nun ja, passiert, änderte aber an dem ganz leckeren Whisky nichts. Und es galt ja auch noch die Fassart herauszufinden. Ich tippte Rye, aber jemand anderes lag mit Cognac genau richtig. Das sanfte und sehr fruchtige Aroma führte mich zu meinem Tipp, passt aber zusammen mit dem cremigen Geschmack nach Äpfeln und Karamell auch hervorragend zu Cognac. Dieser Whisky ist für den Travel Retail gedacht, passt aber auch so gut in das Kernsortiment. Denn auch hier findet man den exotischen Fruchtmix wieder.
Fazit
Man kann also durchaus von einem Brennereicharakter sprechen, der sich für mich in allen fünf Whiskys widerspiegelt und durch die verschiedenen Reifungen in unterschiedlicher Komplexität leicht verändert oder ergänzt wird. Das finde ich durchaus spannend, denn oftmals erkennt man aufgrund von kräftigen Finishes die Brennerei nicht wieder.
An diesem Abend habe ich einen tollen Einblick in die Arbeit und die Produkte von Fettercairn aus erster Hand bekommen. Meine Aufmerksamkeit hat die Brennerei definitiv gewonnen. Angeblich hat man noch nie eines gesehen, aber ich mag jetzt Einhörner.
Herzlichen Dank an Basti für die Organisation dieses Tastings, sowie an Fettercairn, Whyte & Mackay und Mack & Schühle für die Samples und die Einladung. Ich bin froh in den Genuss solcher Events zu kommen, die unser Hobby unterstützen, aber nicht unsere Meinungen zu den vorgestellten Produkten beeinflussen.
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