Cadenhead’s, Campbeltown und die hohe Kunst des Blendings
Es war der St. Patrick’s Day. Während halb Irland in Grün versank, entschieden sich Phil und Hagen im Double Cask Podcast für die schottische Westküste. Kein Irish Whiskey im Glas, keine Shamrocks – sondern Campbeltown. Genauer gesagt: Cadenhead’s, der älteste unabhängige Abfüller Schottlands.
„Soweit können wir schon mal verraten: Einen irischen Whisky gibt es heute nicht“, lacht Phil.
„Dafür jede Menge Geschichte – und am Ende sogar unseren eigenen Blend“, ergänzt Hagen.
Vom St. Patrick’s Day nach Campbeltown
Campbeltown war einmal die pulsierende Hauptstadt des schottischen Whiskys.
Mitte des 19. Jahrhunderts drängten sich dort über 30 Brennereien entlang der Kintyre-Halbinsel – so dicht, dass man sagte, die Luft rieche nach Malz und Meer.
Heute sind es nur noch drei: Springbank, Glengyle (Kilkerran) und Glen Scotia. Doch die Stadt hat ihre Seele behalten. Dafür sorgt bis heute die Familie Mitchell, die sowohl Springbank als auch Glengyle und Cadenhead’s führt.
„Ohne die Mitchells wäre Campbeltown heute wohl keine eigene Whiskyregion mehr“, sagt Philipp. „Sie haben Glengyle nur wieder aufgebaut, um Campbeltown als Region am Leben zu halten. Das ist echte Leidenschaft.“
Cadenhead’s wurde 1842 gegründet – zu einer Zeit, als viele Brennereien ihren Whisky noch gar nicht selbst abfüllen konnten. Unternehmen wie Cadenhead’s übernahmen das: Sie zogen die Fässer ab, füllten sie in Flaschen und machten sie marktfähig.
Heute kaufen sie gezielt Fässer, reifen sie nach oder finishen sie selbst – ohne Farbstoff, ohne Kältefiltration, ohne Kompromisse.
„Das war im Grunde die Geburtsstunde der unabhängigen Abfüller“, erklärt Hagen. „Heute kaufen sie gezielt Fässer, reifen sie nach oder finishen sie. Früher haben sie einfach den Brennereien geholfen, ihren Whisky überhaupt unters Volk zu bringen.“
Mackmyra – ein schwedischer Gast bei den Schotten
Für die Verkostung der Folge hat Philipp einen besonderen Dram ausgewählt:
Mackmyra 11 Jahre (2007-2019), Bourbon Barrel, 49,5 % Vol., abgefüllt von Cadenhead’s (WB 134665).
„Mackmyra war einer meiner ersten Whiskys außerhalb Schottlands“, erzählt Philipp. „Ich fand damals spannend, wie kreativ die Schweden sind – von Green-Tea-Casks über Wacholder bis Birkenholz. Das war alles neu und unorthodox.“
Diesmal aber geht es um einen klaren, ehrlichen Bourbonfass-Whisky. „Ich wollte wissen, wie Mackmyra schmeckt, wenn man ihn mal pur sieht. Ohne Finish, ohne Effekte. Nur Bourbonfass, Eiche und Zeit.“
In der Nase – Kindheit, Kompott und Strohgold
Hell und klar im Glas – Strohgold. Klassisch Bourbonfass in der Nase: Vanille, Honig, helle Zitrusfrüchte.
„Ich hab sofort Apfelkompott in der Nase“, sagt Philipp. „So richtig süß, eingekocht – ein bisschen wie bei Oma. Und vielleicht eine reife Birne dazu.“
Hagen nickt: „Dazu Zitronenmelisse, ganz leicht kräuterig, und frisches, sanft angeröstetes Holz.“
Ein ehrlicher, heller Duft. Kein Sherry, kein Rauch – einfach Whisky, wie er sein sollte.
Am Gaumen – Puderzucker, Orange und Frühlingssonne
Im Mund zeigt sich der Mackmyra cremig und weich.
„Süß, aber nicht klebrig“, findet Hagen. „Wie eine Waffel mit zu viel Puderzucker.“
„Und diese süße Frühstücksorange – Valensina-Orange“, ergänzt Philipp und lacht.
Das Finish bleibt mild, vanillig, leicht holzig – ein Whisky, der nichts beweisen will. Ein Stück Bourbonfass-Ehrlichkeit.
Das Blending Lab – Geschichten aus dem Hinterzimmer
Ich selbst habe das Cadenhead’s Blending Lab im November 2024 besucht – und nehme euch jetzt einmal mit.
Wie der Name schon verrät, liegt es tatsächlich im Hinterzimmer des Cadenhead’s Shops in Campbeltown. Früher standen dort die Springbank-Handfilleds, Cage-Bottlings und der gesamte Merch, bevor Springbank ihren eigenen Shop direkt auf dem Brennereigelände eröffnete. Heute erinnert nichts mehr daran.
Man betritt das Lab durch einen kleinen, zugestellten Gang. Dahinter öffnet sich ein heller, komplett weißer Raum, der wie eine Mischung aus Labor und Whiskywerkstatt wirkt. An den Wänden stehen große Glasballons mit den Whiskys, die fürs Blending bereitstehen. Dazwischen: einige bereits fertig gemischte Blends der Mitarbeiter – Inspirationsquelle und Vergleich zugleich.
In der Mitte steht ein großer Tisch, auf dem alles liegt, was man braucht: Messbecher, Spritzen, Gläser, Notizblöcke. Ein bisschen Merch gibt’s auch – ein eigenes Glas mit Cadenhead’s-Blending-Lab-Gravur darf am Ende jeder mitnehmen.
Das Lab
Vor jedem Teilnehmer stehen acht kleine Reagenzgläser mit den Buchstaben A bis H. Dahinter verbergen sich Whiskys aus unterschiedlichen Fassreifungen und Regionen Schottlands: Rum, Grain, Sauternes, Port, Bourbon, PX, Oloroso und natürlich Peated Whisky.
Niemand weiß zunächst, was in welchem Glas steckt – diese Information bekommt man erst ganz am Ende, wenn die eigene Flasche fertig ist.
Für jede Probe steht ein Glencairn bereit, acht an der Zahl. So kann man jede Fassvariante einzeln verriechen und verkosten, bevor man sich an die Kunst des Mischens wagt. Dann geht es los: schnüffeln, kosten, notieren.
Alle Fassproben haben über 55 Vol.-% – und könnten unterschiedlicher kaum sein. Schon nach kurzer Zeit hatte ich meine vier Favoriten gefunden. Aber sie zu einem harmonischen Ganzen zu vereinen, war schwieriger, als gedacht.
„Man bekommt ein kleines Notizbuch, ein Glas, eine Spritze zum Dosieren und den wichtigsten Satz des Tages“, erinnert sich Philipp.
„Don’t confuse yourself. If it tastes good – stop.“
„Wenn ein Blend schmeckt, nicht weiter rumprobieren – sondern abfüllen!“, sagte unser Host. Natürlich hat er sich nicht daran gehalten. „Ich hab’s weiter versucht, ein bisschen mehr hiervon, ein bisschen weniger davon – und irgendwann war’s schlechter. Da hab ich gemerkt: Sie hatte recht.“
Ein Satz, den ich besser früher beherzigt hätte. Ich habe mich mehrfach verrannt, wieder umgestellt, verworfen – bis schließlich der Moment kam, in dem alles passte.
Was ich da abgefüllt habe, steht heute vor mir. Und genau diesen Whisky probieren wir in dieser Folge.
Die Komposition
- Bourbon Cask (Speyside, 12 J.) – 250 ml
- PX Sherry Cask (Highlands, 10 J.) – 250 ml
- Oloroso Sherry Cask (Highlands, 16 J.) – 50 ml
- Peated Bourbon Cask (Islay) – 150 ml
Die Flasche erhielt vor Ort ein individuelles Etikett mit Foto, Datum, Volumenprozent und Wachssiegel – ein echtes One of One.
Und nun, frisch entkorkt, steht sie vor uns, bereit für den Praxistest.
Live verkostet – der eigene Blend im Glas
Natürlich blieb es nicht beim Erzählen. Wir öffneten und probierten den selbst gemischten Whisky im Podcast.
„Der riecht richtig dicht“, sagt Hagen. „Süß, würzig, aber kein Torfhammer – eher Lagerfeuerrauch nach dem Grillen.“
„Genau“, nickt Philipp. „Das ist der Islay-Anteil. Ich wollte nur einen Hauch Rauch, kein Aschefass.“
Beide sind überrascht, wie harmonisch die Mischung wirkt.
„Ich hab da voll die Beeren im Mund – dunkle Früchte, aber auch was Gegrilltes. Vielleicht klingt’s verrückt, aber ich denke an gegrillte Melone.“
„Ich auch! Barbecue, Rauch, Frucht – das passt“, lacht Phil.
Damit war der Titel der Folge geboren: Gegrillte Melonen und Geschichten aus dem Hinterzimmer.
„Ich war echt überrascht, wie gut mir das schmeckt, was ich da zusammengekippt hab“, sagt Philipp.
„Ich würd’ ’ne Flasche kaufen – aber es gibt ja nur eine“, entgegnet Hagen.
Campbeltown erleben – Whisky, Menschen und Herzlichkeit
Wer Campbeltown besucht, sollte sich das Blending Lab nicht entgehen lassen.
Rund 100 Pfund kostet das Erlebnis – inklusive Betreuung, Notizbuch, Glas, Schreibset, Flasche und einer guten Portion Whiskyglück.
„Du gehst da raus und denkst: Das kann gar nicht stimmen, das ist zu günstig“, erzählt Philipp. „Zwei Stunden, eine eigene Flasche, dazu dieses herzliche Team – das ist mehr als ein Tasting, das ist Whisky zum Anfassen.“
Und wer danach Hunger oder Durst hat, sollte in die Ardshiel Bar gehen – eine Institution in Campbeltown mit hervorragender Küche und beeindruckender Whiskykarte.
Campbeltown ist klein, windig, herzlich – und ein Ort, an dem Whisky nicht nur produziert, sondern gelebt wird.
Fazit – Handwerk, Herz und ein Hauch Rauch
Cadenhead’s ist kein Marketingprodukt, sondern Whiskygeschichte zum Anfassen: unabhängig, ehrlich, detailverliebt.
Wer dort seinen eigenen Blend komponiert, versteht, warum unabhängige Abfüller die Vielfalt bewahren und Geschichten erzählen, die man schmeckt.
Manchmal schmeckt diese Geschichte nach Barbecue, Vanille und gegrillter Melone. Und manchmal schlicht nach Campbeltown.
Wo kann man reinhören?
Na überall, wo’s Podcasts gibt. Hier gibt’s direkt eine Übersicht:
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