Bereits im Mai des vergangenen Frühjahr trug es sich zu. Sebastian Büssing, seines Zeichens Brand Ambassador der Brennerei Loch Lomond, lud eine Gruppe der besten Blogger und Vlogger aus der Whiskyszene zum Loch Lomond – Onlinetasting ein. Die Buben und Mädels von Simple Sample hatten das Abfüllen und Versenden der Samples übernommen, es war Mai, es war sommerlich warm, die Sonne schien, auf der Terrasse war es angerichtet – alles war perfekt!
Titel-Träume werden wahr
Direkt nach diesem Tasting holte sich Eintracht Frankfurt noch den Europa League – Titel, was wohl auch die Erklärung dafür gewesen sein muss, dass Aaron Engelmann von Drams United während des Tastings und vor Anstoß so einen unruhigen Eindruck machte. Wahrscheinlich Eintracht-Fan.
Meinen Kurzbericht zum Tasting und meine Notizen schickte ich direkt den restlichen Whiskygraphen, wie üblich, per Whatsapp-Sprachnachricht. Also nur noch in den nächsten 1-2 Tagen das Gesprochene abtippen und hier auf unserem Blog über dieses äußerst geschmackvolle und interessante Tasting berichten. Und dann?
Wetter-Kapriolen
Einen Abend später ging die Welt unter. Für 10 Minuten. Hagel so groß wie Golfbälle. Ein Sturzbach durch den Garten, Wassermassen auf den Straßen, Wasser durch Dach und Terrassentüren. Autos wurden völlig zerdellt und Windschutzscheiben durchbrochen. Und auch wenn das im Vergleich tatsächlich nur ein Fliegenschiss war, Gedanken ans Ahrtal kamen hervor. Tatsächlich brachten diese Gedanken aber weniger Angst, sondern eher eine große Portion Gelassenheit hervor. Alles halb so wild, alles nur Sachschäden. Man stumpft ja ab, was Naturkatastrophen angeht.
Trotzdem: Tagelang wurde einem nicht langweilig. Versicherungen, Gutachter, Dachdecker, Autowerkstatt, Aufräumen, Putzen. Das Tasting? Völlig aus dem Sinn.
Geschichten, die halt nur der Whisky schreibt. Der kann zwar auch nichts für solche Wetterkapriolen, trotzdem scheint es oft Unwetter zu geben, wenn wir Whisky genießen. Oder wir genießen immer Whisky bei Unwetter? Egal, die beiden Ereignisse gehören nun für mich immer zusammen. Ein bisschen so wie jeder davon berichten kann, was er so am 11. September 2001 gemacht hat, nicht aber wo er am gleichen Tag ein Jahr zuvor war.
Whisky-Kapriolen
Kommen wir zum wesentlichen zurück: Loch Lomond! Der gleichnamige See ist wohl auch vielen Nicht-Whiskyfreunden ein Begriff. An dessen Ufer in der Stadt Alexandria liegt die Brennerei Loch Lomond. Rein optisch ist das Gebäude kein Schmuckstück, erinnert es doch mehr an eine Whiskyfabrik. Dennoch ist diese Brennerei einzigartig, kann sie doch als einzige Brennerei Schottlands einen Single Blend anbieten, da dort sowohl Malt als auch Grain Whisky hergestellt wird.
Aber nicht nur diese Tatsache macht Loch Lomond so speziell. Auch die Ausstattung an Destillationsgeräten ist ungewöhnlich. Neben zwei traditionelle Kupfer-Pot-Stills gibt es sechs sogenannte Lomond Stills. Das sind im Grunde auch Pot Stills, die aber jedoch einen zusätzlichen Boden in einem geraden Hals haben. Das hat einen besonderen Effekt auf den Kupferkontakt mit dem abkühlenden Dampf und erlaubt eine Destillation mit höheren Alkoholwerten von bis zu 90%. Die Produktion unterschiedlicher Stile ist somit sehr breit gefächert.
Neben diesen Brennblasen für Malt Whisky gibt es auch noch eine Coffey Still, die seit 1993 in Betrieb ist und auf der vornehmlich Grain Whisky produziert wird, sowie zwei Column Still für das kontinuierliche Brennen von Alkohol. Durch diese unterschiedlichen Techniken können viele verschiedene Stile von New Make erzeugt werden. Unterschiedliche, möglichen Alkoholstärken zwischen 70 und 90% sowie Zweifach- oder Dreifachdestillation auf denselben Brennblasen erzeugen je nachdem eher fruchtige oder würzige Rohbrände. Kombiniert man noch die Möglichkeit peated Whisky herzustellen ergeben sich nach unterschiedlichen Angaben 8 bis 11 verschiedene Stile allein von Malt Whisky.
Diese Vielfalt schlägt sich auch im Portfolio der angebotenen Marken nieder: Loch Lomond, Inchmurrin, Inchmoan und Inchfad gehören genauso zu den Eigenmarken wie Craiglodge, Croftengea, Glen Douglas und Old Rhosdhu. Eine Herausforderung selbst für jeden Whiskykenner hier den Überblick zu behalten. Welche Marke nun eigentlich getorft oder nicht getorft ist, kann ich mir nie merken, aber ich glaube es war Inchmoan. Und Croftengea. Inchmurrin war der fruchtige, oder? Was für Whiskykapriolen!
Man liest und hört allerdings, dass die Vielfalt des Markenauftritts zukünftig konsolidiert werden soll. Was allerdings nicht für die Vielfalt der Whiskystile und deren Geschmackserlebnisse gelten soll. Und darauf kommt es doch letztendlich an. Denn auch wenn sich Loch Lomond in früheren Zeiten wohl mal mit einem besonders unterdurchschnittlichen Supermarktwhisky in einer berühmten blauen Dose den Ruf etwas ramponiert hat, sprechen die Qualitäten, insbesondere die, die wir in den letzten Jahren bei Sebastian auf den Whiskymessen der Nation probieren durften, absolut für sich. Man nutzt die vorhandene Vielfalt für spezielle Abfüllungen, bei denen man aber bei den unterschiedlichen Brennereistilen den Durchblick behält. Ein absoluter richtiger Weg, wovon wir uns auch in diesem Online-Tasting zusammen mit Sebastian überzeugen konnten.
Seitdem ist viel passiert bei Loch Lomond und der ein oder andere Whiskygraph konnte sich bei Sebastian persönlich auf diversen Whiskymessen von der neuen Qualität überzeugen. Einfach die Vielfalt entdecken und sich auch mal von der ein oder anderen speziellen Sache überraschen bzw. überzeugen lassen.
Meine Samplereste aus dem Online-Tasting habe ich Whiskygraph Stefan zum Verkosten mitgeben. Frei nach dem Motto „Geteilte Freude ist doppelte Freude“ hatte nun noch jemand aus unserem Zirkel Gelegenheit zu probieren. Und außerdem konnten meine Tastingnotes nochmal mit einer zweiten Meinung aufgefrischt und ergänzt werden.
Also starten wir mit einem kleinen Review der einzelnen Single Malts.
1st Fill Pineau des Charentes Hogshead
Was für eine krasse Nase! Ungewöhnlich. Speziell. Stefan muss an Schwefel denken, aber nicht im Sinne von Zündplättchen. Ohne zu wissen, was man im Glas hatte, könnte das jemand für eine Fehlnote halten. Diese leicht säuerliche Note ist für unsere Nasen sehr interessant und klingt auch mit der Zeit deutlich ab. Dafür übernehmen gelbe Früchte und Weinaromen, die etwas muffig wirken. Dazu Vanille und Schokopudding. Vielleicht scheidet er die Geister – aber uns und den Großteil der Tastingteilnehmer konnte er sehr für sich gewinnen, das sei schon verraten.
Whisky des Abends für das Auditorium, mal was anderes!
1st Fill Limousin Hogshead
Hier geht es um frische, europäische Eichenfässer – das kann toll sein! Und?
Leicht säuerliche Noten verbinden sich mit kühlender Minze und fruchtigem Eistee. Insgesamt eine schöne Mischung aus süßem Karamell, Kräutern und Würze. Die knapp 58% Alkohol fühlen sich top eingebunden an!
Im Geschmack finden sich die süß-säuerlichen Aromen wieder. Das Mundgefühl gleicht einem Brauseprickeln. Dazu viel süßes Karamell und klare Andeutungen von frischem Holz. Interessant und lecker!
Mittellang klingt der Whisky nach, die Aromen wechseln sich dabei zwischen süß und säuerlich ab, das Mundgefühl wird leicht trocken. Der Fasseinfluss ist gut gewählt, nicht zu kräftig aber deutlich spürbar. Insgesamt gelungen!
First Fill Oloroso Butt – Peated
Mein erster Eindruck deckt sich mit denen von Stefan: Sehr süß und süffig, mit dreckigem Rauch, geht in Richtung eines Ledaig. Und dabei ist er doch gefährlich süffig.
In der Nase findet sich diese kräftige Dreckigkeit gepaart mit süßer Feige und schwarzer Johannisbeere. Für die Würze sorgt eine Portion Maggi und die Flanke bedient ein Spritzer Zitrusfrucht.
Am Gaumen wirkt dieser Loch Lomond trocken und sehr Speichelfluss anregend. Süße Eiche rinnt mit einer cremigen Textur über die Zunge und entfaltet ein Potpourri an dunklen Früchten.
Der Abgang ist sehr wärmend und lang, die Eichenbitterkeit könnte für den ein oder anderen Genießer grenzwertig sein. Den gewohnten Gaumen allerdings erinnert es einen schönen schwarzen Kaffee.
Insgesamt macht der Whisky viel Spaß, könnte aber einen Einsteiger vielleicht auch etwas überfordern. In der Whiskybase würden wir beide ihm tolle 88 Punkte geben. Kein Zufall dass sich Stefan noch eine Anbruchflasche sichern wollte.
First Fill Tawny Port Hogshead Peated
Von Nase bis Gaumen eine tolle Kombination aus Portweinfass und Rauch. Mir gefällt das oft richtig gut.
Bei dieser Variante merkt man sofort in der Nase, dass der Alkohol sehr gut eingebunden ist und neben dunklen Früchten und süßem Karamell auch eine gewisse „Kohl“-Note transportiert, vielleicht ein Weißkohl. Leicht säuerlich hatten wir noch notiert. In der Whiskybase habe ich im Nachgang die Stichwörter „Sauerkraut“ und „brennender Schweinestall“ gelesen. Klingt ziemlich extrem, dürfte aber jedem Ledaig-Fan gefallen, ein solcher ist auch unser Trüffelschwein Stefan.
Auf der Zunge ist der Loch Lomond kräftiger als die Nase es vermutet hätte. Die Aromen finden sich aber wieder, süß und würzig mit den dunklen Früchten, Beeren und… Kuhdung! Mittelang ziehen sich diese Aromen auch in den Abgang. Ja, Whiskytrinker mögen so etwas. Und interessant ist das sowieso.
Fazit
Es schlummern noch viele potentiell, interessante Fässer in den Warehouses von Loch Lomond. Und Sebastian droht sie einzusetzen! Wir bitten darum! Das war ein tolles Tasting, ein wenig Augen und Gaumen öffnend. Auch vor Loch Lomond macht die Preisentwicklung nicht halt. Wer aber nochmal das alte Gefühl des Entdeckens haben möchte, ist hier mit der ein oder anderen Abfüllung preislich gut bedient.
Vielen Dank an Sebastian für die Möglichkeit der Verkostung, wir freuen uns auf weitere Entdeckungen bei dir an den Messeständen der Nation!