Kann ein Whisky 300 Euro wert sein?
Distille: Balvenie
Abfüller: Balvenie
Typ: Single Malt Scotch Whisky
Land / Region: Schottland / Speyside
Alter: Alle Fässer sind angeführt, das jüngste ist aus dem Jahr 1993, die Abfüllung aus dem Jahr 2016
Fasstypen: Sherry (12 von 1989 – 1992), Hogsheads aus amerikanischer Eiche (11 von 1989), refill american oak (8 von 1992 – 1993)
Alkoholgehalt: 52,2 %
Flaschenanzahl: 8.850 Flaschen aus insgesamt 31 in Tun 1509 vermählten Fässern
Kühlfiltrierung: nein
Färbung: nein
Preis: 300 Euro
Auge / Anblick, Farbe:
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10):
Nach dem Einschenken strömen sehr kurz zunächst alkohollastige Aromen aus dem Glas, die sich rasch und zunehmend verflüchtigen. Sehr schwere Sherry- und Eichennoten dominieren den Riechgenuss. Ich gebe dem Whisky insgesamt rund 20 Minuten im Glas. Jede der Minuten ist ein Hochgenuss, ich könnte ihn auch wesentlich länger hinausziehen. Die Mischung einer vielschichtigen Würzigkeit mit einer Fruchtigkeit aus Orange, Apfel und Pfirsich begeistert. Deutlich süße Noten aus Karamell, Vanille, Schokolade, Creme Brulee, karamellisiertem Zucker und Krokant sind vordergründig, aber nicht aufdringlich. Mandel und Nuss sind ebenso zu entdecken, wie ein minimaler Anklang von Minze und gleichsam hintergründig tauchen Zimt und Nelke in Spurenelementen im Aroma auf. Die zweite Nase nach dem ersten Schluck lässt die Süße zu Gunsten der angenehmen Holzaromen etwas in den Hintergrund treten. Unfassbar gut, sicher das Beste, dass ich bisher aus dem Bereich Whisky in der Nase hatte. Sehr komplex und doch harmonisch und rund. Mein Superlativ und daher fraglos die 10.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10):
Beim ersten Schluck erwartet mich ein toller, direkter Antritt ohne auch nur die geringste Zeitverzögerung bei der Entfaltung der Geschmacksaromen. Der Alkohol trägt diese deutlich und ist für mich ideal eingebunden, da erkenn- und spürbar, aber nicht beißend oder brennend. Von der Konsistenz her handelt es sich um ein öliges Alkoholderivat, das sanft den Mundinnenraum filmartig benetzt ohne dabei klebrig zu sein. Die unglaubliche Komplexität der Nase wiederholt sich im Mund, wobei weniger die Fruchtaromen und Würzigkeit durchkommen und mehr die Schokolade, Vanille, Creme Brulee, das Karamell, die Mandeln und die Nüsse prägend sind. Der Körper ist voll, umfassend und raumgreifend bis ins letzte. Die komplexe Süße wird durch die Aromen von gebrannten Mandeln, Honig und Zuckerwatte ergänzt. Fruchtseitig bleibt die Orange charakteristisch. Die schweren Eichenaromen verbinden sich mit dem Schokoladengeschmack zu einer zartbitteren Note, deren Bitterkeit herrlich die Süße Symphonie zärtlich kontrastiert und damit komplettiert. Ebenfalls gesellt sich ein winziger Bruchteil Marzipan zum Geschmackserlebnis hinzu. Wieder mein Superlativ, die 10.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10):
Ein langer Abgang, der doch länger sein dürfte, aber auch nur, weil das Geruchs- und Geschmackserlebnis so einzigartig waren und der Abgang damit nicht bricht. Der Genuss verlängert sich, die Zunge und der Gaumen erinnern die cremige Süße, ein leicht wärmendes Gefühl steigt sanft aus dem Magen über Speiseröhre und Rachen auf. Im späteren Nachklang wird die Minze etwas deutlicher, auch die Orange bleibt wahrnehmbar. Etwas deutlicher werden ebenfalls die Holzaromen, Bitterkeit steigt aber fast keine auf. Im Abgang lässt die Komplexität der süßen Aromen etwas nach. Aufgrund der geringeren Komplexität und dem Eindruck, das der Abgang vielleicht etwas länger hätte sein dürfen, gebe ich hier nur eine 9, obwohl mir spontan auch kein besserer real erlebter Abgang einfällt.
Preisleistung (0 – 10): 7
Gesamtbewertung (0 – 10): 10
Fazit:
Abgesehen vom Preis, den ich für zu hoch halte, handelt es sich hier um den Inbegriff der Whisky-Kunst. Einen Malt zu kreieren, der dermaßen komplex und harmonisch zugleich ist, dessen Geruch, Geschmack und Abgang so gut zusammenpassen und doch eine Variation beinhalten, welche die Eleganz des Gesamterlebnisses noch steigert, kann man nur als genial bezeichnen und dies kann sicherlich auch nur einem Menschen gelingen, der über 50 Jahre Erfahrung in diesen Dingen verfügt. Grandioses Zeug!
Bemerkung:
Es war ein echter Kampf sich dazu durchzuringen einen Whisky in diesem Preissegment anzuschaffen. Und ich denke, man kann mit einiger Berechtigung darüber streiten, ob ein Whisky 300 Euro wert sein kann. Entscheiden muss man es individuell. Ich bereue meine Entscheidung nicht. Wem das zu viel ist, dem seien die Single-Barrel-Abfüllungen von Balvenie empfohlen. Ebenfalls sehr gut und deutlich günstiger.
sehr gut geschrieben wenn ich auch nicht alle Noten rausschmecke….
Der nächste Kampf findet dann bei 500,- statt 😉
Es wird mir eine Freude sein, auch diesen Kampf zu verlieren. 😉
Balvenie TUN 1509 Batch 1 - Whiskygraphie
[…] der besten Whiskys, die ich bisher die Freude hatte verkosten zu dürfen, war der Balvenie Tun 1509 Batch 3, über den ich ebenfalls ein Whiskygramm verfasst habe. Generell schätze ich die Abfüllungen von […]