Der Macallan Amber ist für mich der Prototyp von Whiskys rund um die Diskussion von NAS-Whiskys, also Whiskys ohne Altersangabe (No Age Statement). Das Thema NAS hatten wir zuletzt in einem unserer Zoom-Meetings besprochen. Dabei ging unter anderem auch darum, wie sich die Einstellung der Whiskykonsumenten zu Whiskys ohne Altersangabe in den letzten Jahren geändert hat.
Dieses Whiskygramm ist ein wenig als Nachruf zu verstehen, denn die 1824er-Serie von Macallan, benannt nach dem Gründungsjahr der Brennerei, zu der der Amber zusammen mit dem Siena und dem Ruby gehört, wurde bereits 2018 eingestellt. War sie also ein Erfolg? Vermutlich eher nicht. Als die Serie 2013 erschien, löste sie die Macallan Fine Oaks ab, die damals noch eine Altersangabe trugen. Und auch zukünftig wird Macallan wieder mit Zahlen auf ihren Flaschen aufwarten.
Der teuerste Whisky der Welt
The Macallan ist sicherlich auch Menschen außerhalb der Whiskywelt ein Begriff. James Bond trinkt ihn mittlerweile werbewirksam und unter den TOP 10 der teuersten Whiskys der Welt befinden sich regelmäßig Flaschen von Macallan auf den vorderen Plätzen. Zuletzt zum Beispiel eine Flasche aus dem Jahr 1926, die für die stolze Summe von 1.452.000 Pfund (1,68 Millionen Euro) versteigert wurde. Macallan lebt von diesem Mythos. Nein, sie leben diesen Mythos! Die Luxusausrichtung drückt sich auch in dem spektakulären Neubau der Destillerie aus. Hier ein Instagram-Video dazu.
Natural colour
Kommen wir nun zum Whisky an sich. Der Amber wurde in Sherry Oak Casks aus Jerez in Spanien gereift, was auch immer das im Detail heißen mag. Abgefüllt wurde er mit dem Minimum von 40% Alkoholgehalt, sicherlich kühlgefiltert, aber – und das hätte ich nicht unbedingt in diesem Segment erwartet – nicht gefärbt. Die satte Bernsteinfarbe macht dem Namen also schon mal alle Ehre.
Distille: Macallan
Abfüller: Originalabfüllung
Typ: Singe Malt
Land / Region: Highlands
Alter: NAS
Fasstypen: Sherry Oak Casks from Jerez
Alkoholgehalt: 40%
Kühlfiltrierung: Ja
Färbung: Nein
Preis: 50,- Euro
Whiskybase ID: 41335
Auge / Anblick, Farbe:
Sattes Bernstein.
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 6
Erstaunlich kräftig in der Nase, vornehmlich nach altem Holz. Dazu kommen Walnüsse und kandierte Früchte, wie Ananas und Aprikosen, aber auch etwas Ziegenbutter. Diese Aromen sind für mich sehr prägnant, aber nicht besonders vielfältig.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 6
Im Antritt hat man kurze aber deutliche, süße Sherrynoten, die leider viel zu schnell verschwinden. Es wird daraufhin etwas herber in Richtung Kakao. Ein wenig Orangeat mit einem Hauch Zimt und Rosinen. Im Hintergrund schwingt durchgehend das alte Holz mit. Das ist nicht so richtig rund, bietet hat aber auch keine Ecken und Kanten, für die es ja auch Liebhaber gibt.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 6
Im Nachklang bleibt vor allem das Holz in Erinnerung, doch plötzlich findet sich auch die Sherrysüße wieder. Das ist nicht so schlecht, aber auch nur mittellang. Wäre das intensiver, würden mir Schokorosinen in den Sinn kommen, so bleibt es beim trocken, tanninigen Holz.
Preisleistung (0 – 10): 5,5
Knapp 50 Euro waren vor 2 Jahren noch sehr viel Geld für einen Whisky ohne Altersangabe, selbst wenn er aus dem Hause Macallan kommt. Aktuell würde da kein Hahn mehr nach krähen, dennoch fehlt mir bei dem Preis die Leistung. Und zu den heutzutage aufgerufenen Preise würde ich niemals mehr zuschlagen.
Gesamtbewertung (0 – 10): 6
Sind die Erwartungen beim Mythos Macallan automatisch zu hoch? Ich bin der Überzeugung das gut ausblenden zu können, da ich mich bislang mit dem Thema Macallan kaum auseinandergesetzt habe. Der Amber fällt in die Kategorie „nichts ganzes und nichts halbes“. Mir persönlich gefällt er gar nicht so schlecht. Man merkt, dass da jemand durchaus Whisky machen kann, trotzdem überzeugt der gute Tropfen nicht ganz. Da ist für mich zu viel Holzfracht, das Sherryaroma entfaltet sich nur hier und da. Insgesamt nicht übel, aber auch nicht überzeugend, da er etwas aufgesetzt wirkt. Wie alt er ist, kann man nur raten. Ich schätze schon deutlich älter als die geforderten 3 Jahre. Aber auch weit weg von seiner ersten Dekade.
Fazit
Und damit kommen wir zur Eingangsfrage aus unserem Zoom-Meeting zurück: Haben sich die Konsumenten mittlerweile an Whiskys ohne Altersangabe gewöhnt? Es kommt wohl auf die Preisklasse an. Als vor 5-6 Jahren mehr und mehr NAS-Whiskys auf den Markt kamen, war der Aufschrei noch groß. Gerade in Verbindung mit schon damals langsam steigenden Preisen, vermisste man doch eine deutliche transparente Angabe darüber, wie viele Jahre dir Whiskys in Fässern reifen durfte, was nach wie vor als Qualitätsmerkmal dient. Trotzdem gab es in den letzten Jahren auch sehr viele Whiskys ohne diese Angabe, die aufgrund ihrer Fassauswahl hervorragend waren. Die Hersteller unterliegen dem Druck bei steigender Nachfrage möglichst viele Produkte auf den Markt zu bringen, für lange Reifungen bleibt da keine Zeit. Das gelingt mal besser, mal schlechter. Einige NAS-Whiskys haben es längst in die Riege der beliebtesten Standardwhiskys geschafft. Bei höherpreisigen Whiskys jedoch ist immer noch eine Altersangabe gerne gesehen, auch wenn es hier Ausnahmen, wie zum Beispiel den Bowmore Springtide, gibt.
Ich kann mich also noch gut daran erinnern, wie heftig gerade der Macallan Amber diskutiert wurde und auch heute noch diskutiert wird. Für 50 Euro gab es schon zu diesem Zeitpunkt einfach spektakulärere Whiskys. Aber es ist wie es ist in der Whiskywelt: Kaum wurde bekannt, dass der Amber vom Markt genommen wurde, wurden die Restbestände leer gekauft und mittlerweile werden vereinzelte Flaschen des Amber für teils an die 200 Euro gehandelt. Die Frage, ob sich denn die oben genannte 1926er Version für 1,68 Millionen Euro geschmacklich lohnen würde, erübrigt sich somit.