Der Single Malt gehört nach Schottland und in Amerika gibt es nur Bourbon-Whiskey? Weit gefehlt, denn auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird Single Malt hergestellt. War euch gar nicht bewusst? Mir auch nicht, deswegen solltet ihr hier weiterlesen.
Seit ihrer Gründung im Januar 2010 hat sich die Westland Distillery aus Seattle im amerikanischen Bundesstaat Washington der Herstellung von Single Malt Whiskey verschrieben. Der Besitzer Matt Hoffmann gründete mit neun Gründungsmitgliedern die American Single Malt Whiskey Commission, die sich, vergleichbar mit der Scotch Whisky Association, eine eigene Kategorie Whiskey geschaffen hat. Der American Single Malt Whiskey wird von mittlerweile ca. 180 weiteren Brennereien nach ähnlichen Regeln, wie sie auch die schottischen Regularien fordern, hergestellt: Es darf ausschließlich gemälzte Gerste verwendet werden, der Spirit darf auf maximal 80% ABV destilliert werden und muss aus einer einzigen Brennerei stammen. Auch das Volumen der verwendeten Fässer darf 700 Liter nicht übersteigen.
Tasting im Brühler Whiskyhaus
Manchmal muss man sich von neuen Sternen am Whiskyhimmel selbst und vor Ort überzeugen. Dazu ergab sich die Gelegenheit an einem Westland-Tasting im Brühler Whiskyhaus mit dem Gründer von Westland Matt Hofmann und dem Brand Ambassador für Deutschland Ewald J. Stromer, der vielen sicherlich als Mr. Bruichladdich ein Begriff ist und der sein Gesicht nun auch für die Marke Westland herhält, teilzunehmen. Es gab 6 verschiedene Westland Whiskeys und jede Menge Infos vom Destillerie-Gründer und Single-Malt-Pionier aus dem Westen der USA.
Angefangen beim Saatgut, über das Mälzen von Gerste, dem Destillationsprozess und bis zum Import frischer Fässer wurden eigentlich alle elementaren Produktionsprozesse an diesem Abend angesprochen, die für das Endergebnis von großer Bedeutung sind. Verbunden mit einigen Anekdoten eines Unternehmensgründers war das ein sehr gelungener Tastingabend. Und dann waren da ja auch noch die Whiskeys.
American Oak
Der Abend begann erfrischend mit einem Westland-Whiskey-Longdrink, eine schöne Idee für den Start. Direkt darauf folgte dann auch der erste Whiskey von Westland: American Single Malt – American Oak! Und das amerikanische Eichenfass zeigt, dass es nicht immer Sherry- oder Süßweinfässer sein müssen. Der Alkoholgehalt von 46%, mit weniger wird bei Westland nicht abgefüllt, ist optimal. Der Whiskey ist zu keiner Zeit zu weich oder zu kräftig. Die Nase überzeugt schon von Anfang an mit cremigem Vanilleeis, viel malzigem Getreide, Honig, Back-Kakao und vor allem würzigem Zimt! Das alles findet man auch auf der Zunge wieder, ergänzt durch viel Getreide und deutlicheren, frischen Holznoten. Auch Karamell, Schokolade und ein Hauch weißer Pfeffer tragen zum Gesamterlebnis bei. Der trockene Abgang gestaltet sich mittellang und wird geprägt von Espresso, getrockneten Orangen und Eichenholz. Gefiel mir ziemlich gut.
Terroir
Beim sogenannten Terroir treffen neben Boden, Klima und Landschaft noch unendlich viele weitere Faktoren zusammen, die den Rohstoff, also die Gerste, und somit auch das Endprodukt, den Whisky, prägen. Die Idee des Terroirs beim Whisky finden wir zum Beispiel in Schottland bei Bruichladdich oder in Irland bei Waterford. Also warum nicht auch in einem Land, dass zu den größten Getreideproduzenten der Welt gehört, den Einfluss des Terroirs für den eigenen Whiskey nutzen?
Und genau diesen Ansatz verfolgt Matt mit großem Engagement und Akribie. Und wie er davon erzählte, wie er die Kooperation mit Farmern in der Nähe suchte, erfahren wir viel über die Zusammenhänge der amerikanischen Landwirtschaft und den großen Agrarkonzernen. Es erscheint logisch, dass hauptsächlich die ertragreichsten Gerstensorten, die für einen bestimmten Zweck bestimmt sind, angebaut werden. Viele andere sind für die weiterverarbeitende Industrie auch schlichtweg oft nicht geeignet. Eine große Bierbrauerei wird sich von Sorten mit lilafarbenen Gerstenkörnern fernhalten, aus Angst, dass sich das Bier verfärben könnte. Für den Whisky kann aber genau das eine geschmacklich interessante Sorte Gerste sein. Zudem gibt es zu jeder Gerste entsprechende Saatgut-Lizenzen und die passenden Düngemittel aus der Hand weltweit agierender Großkonzerne. Da darf kein Körnchen aufs Nachbarfeld fliegen, ohne dass man in Gefahr kommt verklagt zu werden. Eine Gelddruckmaschine aus deren Verkettungen man sich als kleiner Farmer kaum oder nur mit großem Risiko herauslösen kann.
Trotzdem hat Matt den ein oder anderen Farmer finden können, der mit ihm zusammen nach einem Handshake-Deal alternative Gersten für seinen Whisky anbaut. Hilfreich ist sicher auch, dass er Stipendiaten an der Uni unterstützt, die sich an der weiteren Erforschung von neuem Saatgut beteiligen.
Daher wird auch jeder Whisky von Westland damit beworben, dass fünf verschiedene Sorten Gerste darin enthalten sind. Diese Tatsache macht das Endprodukt noch interessanter und wir haben an diesem Abend einiges über den Rohstoff Gerste gelernt.
Sherryfässer
Und nicht nur bei der Gerste, sondern auch bei den Fässern will sich Matt nicht mit Mittelmaß zufrieden geben. Zum nächsten verkosteten Whiskey, dem Sherry Wood, erfuhren wir dann, dass die importierten Oloroso- und PX-Sherryfässer auf dem Seeweg nach Seattle gelangen. Und zwar noch zusammengebaut am Stück und nicht, wie sonst üblich, in Dauben zerlegt, aus denen dann wieder neue Fässer gebaut werden. Um die Fässer feucht zu halten, werden einige Liter Sherry im Fass belassen. Und das schmeckt man!
Orangen, Rosinen, reife Früchte, Früchtebrot, Pflaumen und frische Feigen zeigen hier die volle Sherryfracht! Blind verkostet würde ich wohl auf ein First Fill Sherrybutt Finish tippen. Nicht zuletzt die dichte Eichenwürze gibt jedoch Aufschluss darüber, dass die Reifung in den Fässern länger als lediglich für ein schnelles Finish erfolgte. Lecker und definitiv etwas für Sherryfans, auch in Bezug auf die dunkle, natürliche Farbe.
Es wird rauchig
Für seinen rauchigen Whiskey, so wie man ihn doch eher aus Schottland und weniger aus den USA kennt, hat Matt gegoogelt, woher er Torf in seiner Region beziehen könnte. Tatsächlich fand er ein Moor in der Nähe. Für den gefundenen Torf fand er allerdings leider keine Mälzerei, die diesen zum Darren verwenden würde oder überhaupt könnte, denn die Mälzung erfolgt dort oft nur noch rein elektrisch. So bleibt leider nichts anderes übrig, als sich vorerst mit torfigem Malz aus Schottland zu versorgen.
Und der „Peated“ ist auch richtig lecker, nicht unbedingt auf den ersten Schluck typisch schottisch und vom geschmacklichen Torfgehalt ungefähr vergleichbar mit Kilchoman. Er fängt süß und verhalten an, um dann im Mund zur Rauchbombe zu explodieren. Insgesamt sehr getreidig, aschiger Rauch, ein wenig Trockenfrüchte, etwas Zitrusfrucht. Weiche und ölige Textur und ein recht trockener Abgang. Hat mir gut gefallen.
Flagship Single Malt
Nach den ersten drei Whiskeys, welche die Heritage Collection darstellen, gab es den Flagship Whiskey zu verkosten. Dieser zeigt die komplette Schaffenskunst der Distille in einer Flasche – ein Cuvée aus 6 verschiedenen Malzsorten und 5 verschiedenen Fassarten! Thoughtfully made – so wie es auch auf der Flasche steht. Falls es jemanden interessiert, es sind folgende Malzsorten enthalten: Washington Select Pale Malt, Munich Malt, Extra Special Malt, Pale Chocolate Malt, Brown Malt und Bairds Heavily Peated Malt. Die verschiedenen Fässer sind New und Used American Oak, First Fill Ex-Bourbon, First Fill Ex-Oloroso sowie Second Fill Ex-Oloroso Hogsheads und Butts. Eine bunte Mischung, keine Wunder, dass niemand im Publikum es vermochte die richtige Fassart zu erraten. Von Cognac bis Weinfass wurde fast alles genannt. Trotzdem bietet das Geschmackserlebnis dieses Whiskey kein wildes Durcheinander, sondern ganz im Gegenteil einen schön komponierten und ausbalancierten Genuss von Mandelpudding, Creme Brûlée und geröstetem Krokant. Echt lecker!
Outpost Range
Den Abschluss machten zwei Whiskeys aus der sogenannten Outpost Range. Beim Colere steht wieder besonders die Gerste im Mittelpunkt. In jeder Edition wird eine neue, einzigartige Gerstensorte, die sonst nicht kommerziell gezüchtet wird, verwendet. Den Anfang macht Alba, eine sechszeilige Wintergerste. Um die Aufmerksamkeit besser auf den Einfluss des Getreides lenken zu können, wird dieser Whiskey ganz bewusst ausschließlich in bereits gebrauchten Fässern gereift. Somit wird der geschmackliche Einfluss von Eiche reduziert. Und das funktioniert. Viel Getreide, Haferflocken, Keksteig und Oat Cakes sind zu schmecken. Feigen, Ananas und blumige Noten sorgen für einen süßen Kontrapunkt. Leckerer war Getreidezüchtungsforschung nie.
Garry Oak
Garry, wer? Garry Oak! So wird auch die Oregon-Eiche genannt, die vor allem in den Bundesstaaten Washington, Oregon und Kalifornien heimisch ist. Die Garry Oak-Ökosysteme sind besonders wertvoll und geschützt. Gesunde Bäume können mehrere hundert Jahre alt werden. Folglich gibt es nicht allzu viele Eichen dieser Art, die wirtschaftlich genutzt werden. Man muss quasi warten, bis ein Baum von alleine umfällt, um diesen anschließend zu Fässern verarbeiten zu können. Hinzukommt, dass im Laufe der Zeit einige Bäume gelegentlich zwei Stämme entwickeln. Und die Äste bilden natürlich scharfe Drehungen oder sogar korkenzieherartige Wendungen, wenn der Baum wächst. Diese Wachstumseigenschaft verleiht der Garry-Eiche ein ausgeprägtes, verzerrtes Aussehen, das mit zunehmendem Alter deutlicher wird. Allerdings ist solch ein Baum im Gegensatz zu einer aufrecht gewachsenen Quercus Alba nicht so einfach zu geraden Dauben für ein Whiskyfass zu verarbeiten. Die Ausbeute wird geringer sein.
Die Garryana Editionen von Westland reifen zu einem Teil in genau solchen raren Fässern, die dem Whisky einen einzigartigen Charakter verpassen. Und mich hat dieser Charakter ziemlich begeistert! Zartbitterschokolade, dunkle Trockenfrüchte, Pflaumen und natürlich viel Eichenholz. Im Hintergrund Gewürze, Anis und Zimt. Im Geschmack wieder die volle Ladung von dunklen Früchten, Trockenfrüchten, Leder, Kaffee und Kakao. Sehr vollmundig im Geschmack. Auch der Abgang ist lang mit Zartbitterschokolade, Zimt und Kaffee. Richtig gut. Und richtig teuer. Wie das halt momentan so ist. 160 Euro soll die Edition 6 kosten, sobald sie denn in Deutschland erhältlich sein wird. Es ist eine Überlegung wert.
Fazit
Der Garryana war für mich der Whiskey des Abends. Mit nach Hause hat es zunächst der American Oak geschafft, um den Freundeskreis und die anderen Whiskygraphen erstmal langsam anzufixen. Ich muss schon sagen, dass mich das Tasting wirklich ein Stück weit überrascht hat. Wir hatten schon mitbekommen, dass hier ein paar gute Tropfen aus dem Westen der USA kommen. Wie gut die Whiskeys sind und dass sie wenig mit dem bekannten US-Bourbon zu tun haben, davon konnte ich mich an diesem wundervollen Abend im Brühler Whiskyhaus überzeugen. Und selbst Marco musste eingestehen, dass er die Flaschen eigentlich noch am selben Abend aus dem Bourbon-Regal zu den schottischen Single Malts umräumen müsse.
Herzlichen Dank an Marco und sein Team sowie Matt und Ewald für den genussvollen und unterhaltsamen Tasting-Abend!