Online-Tastings sind zurzeit wieder voll im Trend und ein toller Ersatz für Live-Tastings, die halt gerade leider nicht oder nur in sehr begrenztem Rahmen stattfinden können. Aber sind sie nur ein bloßer Ersatz aus der Not heraus oder kann ein virtuelles Tasting sogar einen Mehrwert bieten? Diese Frage stellten wir uns schon in einem unserer kürzlich vergangenen Zoom-Meetings gemeinsam mit unseren Gästen. Ein paar lose Ideen gab es, aber noch keine detaillierten Antworten.
Parallel dazu hat sich unser Freund Markus Eichhorn, der sich nach abgelegter Prüfung seit kurzem offiziell „Whisky Ambassador für Scotch Whisky“ nennen darf, seine Gedanken dazu gemacht und mit der „Whisky Online-Experience“ ein neues Format von Tasting konzipiert. Er bietet unter MyWhiskyTasting, wie der Name schon verrät, Whisky-Tastings an. Besonders in die Auswahl der Lineups investiert er immer viel Leidenschaft und Mühe, um sein Publikum zu begeistern. Und das gelingt ihm immer ziemlich gut.
Zurück in den virtuellen Cyberspace. Markus hat mit seiner Whisky Online-Experience das gemeinsame Verkosten von Whiskys interaktiv gestaltet. Dabei musste er nicht das Internet neu erfinden, aber sich einfach der technischen Möglichkeiten bedienen. Ein neuartiges Erlebnis zum Mitmachen und Mitwirken sollte es sein. Digital und trotzdem persönlich. Hier ein kurzer Bericht.
The Legend
Das Lineup beinhaltete, inklusive eines Welcome-Drams, sieben Whiskys. Der erste Whisky des Abends, der es traditionell etwas schwer hat, muss ein Gaumenschmeichler sein. Etwas leichtes, süffiges, soll nicht überfordern und Zunge sowie Gaumen an Hochprozentiges gewöhnen. Dafür hat Markus zu meiner freudigen Überraschung DEN aktuellen, deutschen Hype-Whisky überhaupt ausgewählt: Den Bud Spencer – Whisky von St. Kilian. Dieser wird mit 46% abgefüllt und ist eine Kombination von Whisky aus Bourbon- und Amaronefässern. Das Endergebnis ist genau das richtige für den Einstieg in einen Tasting-Abend. Mit 46% zwar eher nicht leicht, aber auch nicht überfordernd. Er hat nicht bei jedem denselben Anklang gefunden, Alex aber war zum Beispiel recht angetan. Insgesamt freuten sich aber fast alle über die Gelegenheit ihn probieren zu können.
Übrigens: Das ist ein Blindtasting
Die weiteren sechs Whiskys wurden blind verkostet. Aber nicht stur der Reihe nach, wie üblich, sondern in Gruppenarbeit. Die Teilnehmer wurden über das Online-Konferenzsystem per Zufall in vier Gruppen aufgeteilt. Diese Gruppen versammelten sich dann auch einzeln separiert von den anderen in virtuellen Räumen. Jede Gruppe hatte nun die Aufgabe je eines von vier Blindsamples zu verkosten, gemeinsam zu diskutieren und zu erraten, welcher Whisky sich dahinter verbirgt. Ebenfalls sollte in einer Zeit von 30 Minuten eine Präsentation des Ergebnisses vorbereitet werden. Ob in Bild, Prosa, Tastingnotes oder mit dem Whisky.de-Jingle unterlegt, waren der Phantasie dabei keine Grenzen gesetzt.
Also hieß es nun verkosten und erraten. Und dass Markus uns pro Whisky drei Wahlmöglichkeiten gab, machte die Sache nicht unbedingt leichter. Dass Alex in meiner Gruppe B sofort blind auf einen Glenrothes tippte, obwohl er noch gar nicht wusste, dass ein solcher überhaupt zur Wahl stand, war da eher die rühmliche Ausnahme. Trotzdem haben wir uns heiß diskutiert, ob es denn wirklich dieser 21-jährige Glenrothes aus dem American Oak Cask sein könnte – oder nicht doch eher ein 21-jähriger Deanston mit Koval Rye Finish oder ein 18 Jahre alter Aberfeldy aus dem Pauillac Red Wine Finish? Da bekommt man wieder dieses demütige Gefühl, wenn man merkt, wie schwer es sein kann ein Rotwein-Finish von amerikanischer Weißeiche zu unterscheiden.
#Tastingsnotes
Wir hatten in dieser zufällig zusammengewürfelten Runde viel Spaß, einen guten Austausch und entschlossen uns schließlich der ersten Eingebung von Alex zu folgen. Vor der Auflösung konnten wir unseren Tipp, als sich alle wieder in der großen Gruppe zurück versammelt hatten, mehr oder wenig kreativ dem gesamten Auditorium präsentieren. Daraufhin konnten auch alle den Whisky aus dieser Runde probieren und ihre Geruchs- sowie Geschmackserfahrungen als Stichworte mit einem extra Tool per Smartphone an Markus übertragen. Daraus ergab sich bei jedem Whisky eine Stichwortwolke, die die guten Tropfen ganz gut umschrieb.
Die Tippabgabe erfolgte anschließend über ein Abstimmungstool für alle Gäste, die sich an die jeweilige Empfehlung der Kleingruppe halten oder frei tippen konnten. Mit dem Tipp auf den Glenrothes lagen wir schließlich sogar auch goldrichtig. In der ersten Runde A hieß die Auflösung Aultmore Exeptional Cask, welcher 11 Jahre Olorosofassreifung (1st & 2nd Fill) hinter sich hatte. Aber auch hier waren die Alternativen Glen Els „The Last Edition“ mit 4 Jahren und ein 13-jähriger Linkwood aus dem Sherry Butt vom Geschmackseindruck nicht ganz abwegig.
Es wurde einem wieder schonungslos vor Augen geführt, wie schwierig es ist, wie zum Beispiel in Runde C, einen Ballechin von einem Bowmore oder einem Port Charlotte zu unterscheiden. Erst recht, wenn Moscatel- oder PX-Sherryfässer noch eine Rolle spielen. Selbst in Runde D kam man bei der Wahl zwischen einem rauchigen Ardmore und einem Peated BenRiach ins Zweifeln, ob es denn nicht doch mit dem Stauning Smoke 2020 die dritte Variante sein könnte. Es war dann der 18-jährige BenRiach Latada peated mit Madeira Cask Finish.
Ire, Schotte, Bourbon?
Die letzten beiden Whiskys wurden dann in gemeinsamer Runde blind verkostet. Der vorletzte Dram des Abends hat sich zunächst nicht als Ire zu erkennen gegeben, wurde dann aber als 13 Jahre alter, PX-Sherryfass gereifter Single Malt aus Rolf Kaspars Serie „Hotel Essener Hof“ aufgelöst und wusste zu gefallen. Besonders Alex war im Nachhinein noch begeistert von dem Iren.
Der letzte Whisky des Abends war zugleich der umstrittenste. Ich hatte siegessicher und mutig auf einen Bourbon getippt, war dann aber auch, wie viele andere, vom 28-jährigen Cameronbride Single Grain aus der Old Particular Serie von Douglas Laing, abgefüllt für deinwhisky.de, überrascht. 28 Jahre und aus dem Refill Butt für unter 80 Euro, da kann man mit einem Single Grain auch heutzutage noch wahrhaftige Schätzchen bekommen. Allerdings war es nicht nur die kräftige Klebstoffnote, die diesen Whisky in der allgemeinen Abstimmung auf die letzten Plätze verwies. Deswegen ganz sicher kein schlechter Whisky, aber an diesem Abend halt eher nicht in der Gunst der Jury. Trotzdem eine schöne Erfahrung ihn probieren zu können und vielleicht sollte man ihm bei Gelegenheit nochmal separat und mit viel Zeit eine Chance geben.
Fazit
Insgesamt war das ganze Lineup wieder toll von Markus zusammengestellt. Für mich waren ausschließlich Whiskys dabei, die ich noch nicht kannte und die in den Genuss ich kam probieren zu dürfen. Der Gewinner des Abends war für mich der 10-jährige Port Charlotte aus dem PX-Sherryfass, welcher übrigens unter dem Label „It’s never too late for cask strength“ von der Whiskybotschaft mit 50% abgefüllt wurde. Einfach lecker und an diesem Abend genau mein Ding. Genauso für Patrick.
Für Stefan und Alex belegten der Aultmore und der Glenrothes die vorderen Plätze. Das gesamte Kampfgericht kürte den Aultmore zusammen mit dem Port Charlotte auf den ersten Platz, klare Sache also.
Ein abwechslungsreiches Tasting, das alle zu begeistern wusste. Tolle, interessante Whiskys, ein guter Austausch zwischen allen Teilnehmern, eine lockere, interaktive Atmosphäre und vor allem viel Spaß! Faktoren, die man doch an Livetastings so sehr schätzt und die man auch hier wieder gefunden hat. Wir haben die technischen Möglichkeiten eines Online-Tastings ausgelotet, die man bei einem realen Tasting nicht hat. Ist das vielleicht sogar besser als bei einem konventionellen Tasting? Auf jeden Fall ist es eine tolle Alternative, bis wir uns wieder persönlich sehen. Danke, Markus für die Mühe und auf in die nächste Runde! Slàinte!
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