Die Agenda
Es war diesmal der Sonntag, an dem wir in Frankfurt auf der Interwhisky aufschlugen. Wie immer war die Agenda so lang, dass wir keine Chance haben würden, sie vollends abzuarbeiten. Und dann kommen da auch noch immer die ungeplanten Begegnungen und Entdeckungen hinzu, die das Programm restlos ausarten lassen.
Loch Lomond und Inchmoan
Einen großartigen Start in den Tag hatten wir bei Sebastian Büssing am Stand von Loch Lomond, also auch Kammer-Kirsch. Hagen hatte hier ein Sample zu übergeben. Das war rasch gemacht, die sich anschließenden Verkostungen hingegen nahmen etwas mehr Zeit in Anspruch. Nachhaltig begeistert hat mich hier der 25-jährige 1992er Inchmoan, ein peated Whisky von Loch Lomond, der mit seiner Güte und Preisleistung hervorsticht und überzeugt. Ohnehin ist die Neuaufstellung von Loch Lomond ein Projekt, dass zurecht viel Beachtung in der Whiskywelt findet. Und das ist offensichtlich auch Fachmeinung, wie Julia Nourney, die wir am Stand direkt treffen, bestätigt.
Destillerie Kammer-Kirsch
Direkt daneben am Stand war Florian Weiss für die Destillerie Kammer-Kirsch und speziell die Israelitische Milk & Honey Destillerie am wirken. Zwar hatten wir hier einen Kurzbesuch eingeplant, da wir für Bekannte versuchen sollten, eine Flasche der Messeabfüllung des Milk & Honey zu ergattern, aber länger wollten wir uns eigentlich nicht aufhalten.
Die Messeabfüllung
Wir hatten natürlich schon am Freitag und Samstag aus der Ferne mitbekommen, dass der eigens für die Interwhisky abgefüllte Single Cask ein echter Knaller sein sollte. Wir wussten auch, dass es nur 100 Flaschen davon gegeben hat. Und der war doch so gut, dass wir keine mehr bekommen konnten. Allerdings landete er noch zur Verkostung in unseren Gläsern. Und er hat mich doch mehr als beeindruckt. Ein phantastischer Whisky, der dem Anspruch der 6 Freunde, welche die Destillerie in Tel Aviv gegründet haben und betreiben, einen Whisky zu produzieren, welcher sich an den Malts aus der Speyside und den Highlands orientiert, mehr als gerecht wird.
Aromenvielfalt nach nur 3 Jahren
Wahrhaft unglaublich, ich finde kaum die richtigen Worte um meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen, ist die Aromenvielfalt, die sich nach nur 3 Jahren Lagerungszeit in diesem Whisky aus dem Single Cask, das mit 55% abgefüllt worden ist, ausmachen lässt. Großartige Schokoladennoten mit ganz deutlichem Marzipan bestimmen das Geschmackserlebnis. Einzigartig und doch vertraut, neuartig, aber doch bekannt. Besser kann man einen Whisky für mich nach 3 Jahren nicht schmecken lassen. Unfassbar.
Die Lagerung und Abfüllung
Gelagert worden war der Malt in einem Bourbonfass, um dann in einem PX-Sherryfass gefinisht zu werden. Es brauchte keine Kältefiltration und keine Färbung, bevor der Whisky in die Flaschen gekommen ist. Dass der Single Malt nach so kurzer Lagerungszeit bereits so reif, rund, voluminös und ganz einfach fertig riecht und schmeckt, liegt natürlich auch an der beschleunigten Reifung im Klima Tel Avivs. Es ist feucht und heiß und bedingt daher einen Angels Share bis zu 25%. Ähnliches kennt man auch von Whiskys aus vergleichbaren Klimazonen wie z. B. Kavalan aus Taiwan oder Amrut aus Indien. Auch dort werden hervorragende Whiskys gemacht. Patrick hat bei uns den Kavalan Port Cask Finish Concertmaster und den Kavalan Classic besprochen, ich den Amrut Madeira Batch 1.
Lagerung oder New Make?
Wieviel Prozent des Geschmacks eines Whiskys kommen aufgrund der Lagerung, des Produktionsprozesses, der Form der Brennblasen und der verwendeten Rohstoffe zustande? Hier gehen die Meinungen der Fachleute erheblich auseinander. Kommen 60% oder eher 80% des Geruchs und Geschmacks eines Malts aus dem Fass und dem Klima, dass es umgibt? Ich bin sicherlich nicht fachkundig genug, um darauf eine Antwort zu geben. Unstrittig ist, dass die verwendeten Fässer einen großen Einfluss haben. Der New Make, verdünnt auf 40%, landet auch in unseren Gläsern und ich denke, dass sich die Güte, die sich in der Messeabfüllung finden lässt, im New Make durchaus bereits andeutet. Julia hat mit dem New Make von Milk & Honey einige interessante Geschmacksversuche machen können. Verglichen wurde der gleiche New Make mit exakt der selben Lagerzeit an verschiedenen Orten, einmal gelagert im Landesinneren, einmal an der Küste und selbstverständlich in gleichen Fässern. Und der Unterschied scheint doch signifikant und beachtlich zu sein.
Young Single Malt
In unseren Gläsern landet dann noch ein Young Single Malt, so der Name, der als Malzbrand nach 11 Monaten abgefüllt worden ist. Auch er ist alles andere als schlecht, kommt er doch aus Bourbon-, Rotwein- und Islayfässern, aber noch nicht ganz das, was ich mir von einem Whisky wünsche. Das ist mir noch etwas zu nahe am New Make, obgleich der, wie erwähnt, wirklich gut ist.
Im Januar wird es klassisch
Für den Januar 2020 ist dann der erste Single Malt des Kernsortiments mit dem Titel Classic angekündigt. Irgendwie war die Verwirrung am Stand groß, ich habe sozusagen den Überblick verloren, aber da ist etwas in meinem Glas gelandet, das wohl wie dieser kommende Classic gewesen sein könnte. Gelagert in Bourbon und Rot- oder Portweinfässern, meine ich mich zu entsinnen, und wirklich gut und verheißungsvoll. Aber natürlich könnte mir hier die Erinnerung aus der Verwirrung heraus auch einen Streich gespielt haben.
Fazit zu Milk & Honey
Bringen wir es einmal auf den Punkt. Der Grund, warum viele junge Destillerien Malzbrände und sehr junge Single Malts auf den Markt bringen, ist in erster Linie nicht unbedingt, dass sie schon nach so kurzer Zeit so gut sind. Die Gründe sind häufiger vielmehr wirtschaftliche Notwendigkeiten und die derzeit, aus Sicht der Produzenten, sehr gute Marktlage. Ich habe schon eine große Menge an sehr jungen Single Malts im Alter zwischen 3 und 6 Jahren getrunken, alle hatten neugierig gemacht, alle waren hochgelobt durch ihre Erzeuger. Bisher hat mich keiner dieser so von sich eingenommen, wie der Milk & Honey. Die koscheren Abfüllungen, die noch folgen, werden himmlisch sein, da bin ich sicher.
Von der Bibel zum Biest
Aus Kanaan, dem biblischen Land, auf den der Name der Destillerie, in dem Milch und Honig fließen, anspielt, ging es sodann nach Islay, dorthin wo das Biest, das Peat’s Beast zu Hause ist. Mir war vorher gar nicht klar, dass die Destillerie Kammer-Kirsch auch für den Import und Vertrieb des Peat’t Beasts von Fox Fitzgerald verantwortlich ist. Man lernt nie aus. Ich bin tatsächlich ein großer Freund des Peat’s Beasts, den ich in Sachen Preisleistung für unschlagbar halte.
Peat’s Beast
Als ich dann von Florian erfahre, dass es einen 25-jährigen davon gibt, bin ich mehr als entzückt. Peat’s Beast in einem solchen Alter? Der NAS-Whisky von Peat’s Beast, einmal mit 46%, oder als Cask Strength Version mit 52,1%, ist doch eher kräftig, jung und ungestüm, allerdings in einer Weise, die nicht nur ehrlich, direkt und gradlinig ist, sondern auch raffiniert und trotzdem verhältnismäßig facettenreich.
Peat’s Beast Islay 25
Und die 25-jährige Variante hält durchaus, was ich mir von ihm versprochen habe. Gezähmte Wildheit, deutlicher Torfrauch, maritime Noten, ein karamell-schokoladiger Unterton und noch einiges mehr, dass es zu entdecken gibt. Absolut überzeugend, genau mein Ding und daher nehme ich auch eine Flasche davon mit. Wenn ich nicht wüsste, dass es nicht sein kann, würde ich ihn für einen Ardbeg halten.
Whiskyliebe
Meine Liebe zum Lebenswasser ist auch deshalb so groß, weil es sich um ein so unerschöpfliches Thema handelt. Ist man daran gescheitert, eine ambitionierte Agenda abzuarbeiten, folgt daraus eine noch größere für die Zukunft. Die Whiskyliebe ist wie eine Hydra. Hat man ihr einen Kopf weggetrunken, so wachsen 2 neue.