Nachdem man sich jahrzehntelang mit nur drei großen Whiskeybrennereien aus Irland und ihren bekannten Marken zufriedengeben musste, sieht man sich zur Zeit mit einer Flut an neuen irischen Destillerien konfrontiert. Interessant dabei ist zu entdecken, mit welchen Konzepten die verschiedenen Gründer an den Start gehen – setzt man auf Single Malt Whiskey oder auf den für Irland so typischen Pot Still Whiskey? Wird, ebenfalls typisch irisch, dreifach destilliert oder nur zweifach? Von der kleinen Craft Distillery bis zur großen, bekannten Marke ist bei den Neugründungen derzeit alles dabei.
Deutschlandrelease
Eine dieser neuen Brennereien ist die Powerscourt Distillery in Wicklow im Süden von Dublin, deren Whiskeys nun auch in Deutschland erhältlich sind. Es war mir eine Freude zur Release-Veranstaltung von Irish Whiskeys im Hotel Rosenau in Bad Nauheim eingeladen gewesen zu sein. Neben der Gastgeberin Mareike Spitzer führten die extra aus Irland angereisten Alex Peirce, CEO des Unternehmens, und Ryan Stapleton, Supply Chain Manager, durch den Abend und präsentierten die Distillery und die ersten drei erhältlichen Whiskeys.
Whiskey Sourcing
So sehr sich der Whiskeyliebhaber über den gesamten irischen Whiskey-Boom freuen kann, hat die Sache doch einen kleinen Haken, der ein wenig Geduld erfordert. Auch in Irland darf sich ein Whiskey erst dann Whiskey nennen, wenn dieser mindestens 3 Jahre in einem Fass reifen durfte. Und auch wenn die irische Regierung die Pläne der Investoren tatkräftig unterstützt, kann es sich kaum jemand leisten von der ersten New Make Produktion bis zum fertigen Whiskey drei Jahre lang ohne Einnahmen zu warten. Einige Unternehmen überbrücken das Geschäft daher u.a. mit Poitin (einem Gerstenschnaps) oder Gin. Andere wiederum gehen den Weg und verkaufen zunächst gesourcten Whiskey aus anderen Brennereien. Das bedeutet sie greifen auf die Bestände etablierter Brennereien zurück und verkaufen diese unter der eigenen Marke. Ein gangbarer Weg, vor allem wenn man anhand der Fassauswahl durch den Master Distiller bzw. Master Blender bereits anhand des Stils und Charakters erahnen kann, wo es mit dem ersten eigenen Whiskey dann irgendwann mal hingehen könnte. Kritiker dieses Whiskey Sourcing bemängeln die leider oft fehlende Transparenz über die Herkunft der Whiskeys. Hier mögen aber auch Vertragsbestimmungen der Grund für den fehlenden Hinweis auf die Quelle sein, wie man es von vielen unabhängigen “Mystery”-Abfüllungen kennt. Margarete Marie, die uns auch an diesem Abend mit ihrer Anwesenheit erfreute, hat in ihrem Online-Magazin für Whisky-Genießer einmal darüber berichtet.
Master Distiller Noel Sweeney
Um es bereits vorweg zu nehmen – auch die Powerscourt Distillery geht den Weg des Whiskey Sourcing, um uns, nachdem bereits 2018 die ersten Tropfen New Make destilliert wurden, schon mit eigenen Whiskeys erfreuen zu können. Auch hier darf die Herkunft des Whiskeys nicht genannt werden. Der Whiskey wurde von Master Distiller Noel Sweeney von seiner alten Wirkungsstätte mitgebracht und wurde von ihm noch dort gebrannt. Noel Sweeney ist eine bekannte Größe in der Whiskywelt. Er bringt über 30 Jahre Erfahrung in der irischen Whiskey-Industrie mit und einige seiner Whiskeys erhielten internationale Auszeichnungen, darunter Abfüllungen von Kilbeggan, Greenore, Connemara und Tyrconnell. Das Whisky Magazine nahm ihn 2017 in seine Hall of fame auf. Mit ihm ist es also gelungen eine Legende für das Unternehmen gewinnen zu können und jeder fühlt sich, nach Aussage von Alex Peirce, geehrt mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen.
Powerscourt Estate
In der idyllischen Kulisse der Wicklow Hills liegt die Destillerie auf dem Gelände des Powerscourt Estates. Auf dem Anwesen liegen u.a. noch das Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert sowie die Powerscourt Gardens, einer der schönsten Parks in Irland. Auf dem Gelände befindet sich außerdem ein 5 Sterne Hotel sowie ein Golfplatz. Und eine Fußstunde entfernt entdeckt man den höchsten Wasserfall Irlands. Ein toller Platz für eine Whiskey Distillery, dachten sich wohl die Gründer. Und so wurde in einem alten Mühlengebäude und einem modernen Neubau die Brennerei samt Besucherzentrum errichtet. Die Planungen begannen Anfang 2016 und Mitte 2018 konnte man schon den ersten eigenen New Make auf 3 Pot Stills von Forsyths produzieren.
Fera Cualann
Seit Oktober gibt es nun bereits die drei Abfüllungen, die unter dem Namen Fercullen vertrieben werden. Für die Namensgebung reiste man tief ins 9. Jahrhundert zurück. Damals wurden die Ländereien, die heute das Powerscourt Anwesen darstellen, Fera Culann genannt.
Die eigenen Abfüllungen werden zukünftig Single Malt und Pot Still Irish Whiskeys umfassen. Nach dem sehr lebendigen Vortrag von Alex, bei dem auch keine Frage, außer der nach dem geheimen Verhältnis von Malt und Grain Whisky im Blend, unbeantwortet blieb, ging es dann auch endlich zum gemeinsamen Verkosten der drei Whiskeys:
Fercullen 10 Jahre Single Grain Irish Whiskey
Nach Aussage von Mareike ein Whiskey, wie man ihn in Irland selten bekommt. Ein Grain mit 40%, der aber auf der Zunge, trotz seiner angenehmen Süße, relativ kräftig daher kommt. Ein Whiskey aus der Kategorie “einfach lecker”.
Aroma: süße Vanille, Zitruszesten, Honig, Gewürze, Mandeln, Orange, etwas Holz
Geschmack:Weich, süß, komplex mit Holz, Frucht und Süße
Nachklang: langes Finish mit Vanille
Fercullen Premium Blend
Ein Blend aus Malt- und Grainwhiskey mit 40%. Der jüngste enthaltene Whiskey ist immerhin 7 Jahre alt. Ein einfach zu trinkender Irish Whiskey, unkompliziert, aber durchaus auch ein Genuss für den etwas anspruchsvolleren Gaumen.
Aroma: Vanille, Zitrus, Honig, Würze, etwas Holz
Geschmack: weich, Malznoten, Süße, Karamel, Früchte
Nachklang: Langanhaltend mit Vanille und Holz
Fercullen 14 Jahre Single Malt Irish Whiskey
Für mich der Sieger des Abends. Ein wirklich guter irischer Single Malt, der mit Reife und tollen Aromen aus der First fill Bourbonfassreifung zu überzeugen weiß. Die 46% Alkoholstärke transportieren die leckeren Frucht- und Gewürznoten zielführend an Zunge und Gaumen.
Aroma: Honig, Vanille, süßes Malz, würzig, Madeln, Zimt, Pflaumen, grüne Banane
Geschmack: Komplex, weich, Malzig, geröstetes Holz, Fruchtnoten, Nuss
Nachklang: Malzig zu Beginn, langanhaltend mit Würze und frischen Fruchtnoten
New Make
Als Überraschung gab es dann noch einen New Make, den Mareike von ihrem Destilleriebesuch mitgebracht hat. Überhaupt war sie voll des Lobes für ihren dortigen Besuch. Alles sei dort sehr authentisch, als Besucher sieht man die tatsächliche Produktion, die Distiller sind persönlich vor Ort und beantworten Fragen. So war sie auch voll des Lobes für Noel Sweeney, der nicht nur ein Meister seines Fachs, sondern auch ein offener und sympathischer Mensch zu sein scheint. Aber zurück zum Rohdestillat. Mit 68% ist der gute Geist natürlich ziemlich kräftig, aber es steigen auch extrem fruchtige und malzige Aromen aus unseren Gläsern auf. Auf der Zunge entfaltet er zusätzlich noch eine unheimliche Würzigkeit und zunehmend Aromen von Frühstückscerealien. Trotz des starken Alkohols kann man ihn ganz gut trinken. Das war auf jeden Fall mal eine Erfahrung, so oft kommt man nun auch nicht in diesen Genuss und es gibt einem einen kleinen Vorgeschmack darauf, was hier mal zu richtigem Irish Whiskey werden soll.
Whisk(e)yfreunde
Es war ein toller Abend, der neben der Präsentation und Verkostung der neuen Whiskeys, vor allem von den Begegnungen mit alten und neuen Gesichtern lebte. Schon beim Aperitif, einem ‚Fercullen Fashionista‘, der unter anderem aus Granatapfelsaft und dem Premium Blend gemixed wurde, ergaben sich die ersten Wiedersehen und interessanten Gespräche, u.a. mit Whisky Jason und Jürgen Reif, der den Blog ‘Talking about whisky’ betreibt.
Zudem lernte ich Niall Saad kennen, der einen schönen Irish Whiskey Blog betreibt und ein echter Kenner der grünen Insel ist. Ebenso war es eine Freude auch Norman Bartel, den Whiskybabbler, wiederzutreffen, der hochtechnisch mit der neuesten CIA-Kameratechnik ausgerüstet, Videos für seinen YouTube-Kanal produziert hat. Mit am Dinnertisch saß auch Frank Schorneck nebst Gattin, der unter dem Motto “Lausch und Rausch” Whiskylesungen anbietet.
Kaiserschmarrn
Mein persönliches Highlight gab es dann, nach leckeren Antipasti, Schweinekrustenbraten, Tilapiafilets und Pfifferlingen, zum Dessert: Kaiserschmarrn! Wer mich kennt weiß, dass dies mein Kryptonit ist. Garniert mit einer Vanille-Whisky-Sauce – perfekt!
Der Abend endete dann zu später Stunde mit Jürgen, Ryan und Alex an der Hotelbar. Bei ein paar Bier ging es noch um allgemeine Reisetipps für den nächsten Irlandurlaub und den Unterschied zwischen irischen und deutschen Trinkgewohnheiten. Die Diskussion darüber, ob man Whiskey mit Wasser oder ohne trinken sollte, dieses mit einer Pipette millilitergenau dosiert oder einfach mit der Karaffe hinzufügt werden sollte, welches Glas das richtige ist, ob ein Glencairn Pflicht ist oder es doch mal ein Tumbler sein darf, endete mit dem allgemeinen Konsens: Just drink it! Just enjoy it!
Vielen Dank an Mareike Spitzer und Irish Whiskeys für die Einladung!