Als der Discounter LIDL ein paar Wochen vor Weihnachten mit einem 47-jährigen Single Malt warb, war meine Neugier geweckt. Gerade mal 279 Euro sollte der Spaß kosten. Eigentlich viel Geld. Für einen fast ein halbes Jahrhundert alten Whisky in Fassstärke aber mittlerweile ein Spottpreis. Zugegeben – die Fassstärke beträgt gerade einmal 41,2%, der Whisky ist gefärbt und eine Destillerie wird leider auch nicht genannt. Irgendwo muss sich der Preis doch rechtfertigen.
Schnell war der alte Tropfen auch ausverkauft. In den verschiedenen Social Media Foren kam er dann anschließend nicht überall gut an. Zu beliebig sei er, das Alter merke man ihm nicht an und so weiter. Kann man so stehen lassen. Doch um es vorwegzunehmen: Wir waren äußerst zufrieden! Würde man blind das hohe Alter erraten? Wahrscheinlich nicht. Sollte er mehr Power haben? Keinesfalls! Nach 47 Jahren, abgefüllt wurde im Jahre 1973, haben sich die Engel einen großen Schluck gegönnt, nicht selten fallen derart lang gelagerte Fässer auch unter die gesetzliche Grenze von 40% Alkohol für Whisky.
Whisky: Ben Bracken 1973
Distille: unbekannt
Abfüller: The Scottish Independent Distillers Co. Ltd. für LIDL
Typ: Single Malt
Land / Region: Schottland / unbekannt
Alter: 47 Jahre
Abgefüllt: 2021
Fasstypen: nicht bekannt
Alkoholgehalt: 41,2%
Flaschenanzahl: 480
Kühlfiltrierung: Ja
Färbung: Ja
Preis: 279 Euro
Whiskybase ID: 195827
Auge / Anblick, Farbe:
Dunkles Gold.
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 8,5
Die Nase startet süß und fruchtig. Wir finden vanillige Cremé brûllée und den darauf abgeflämmten braunen Zucker. Gebackene Orangen und eingelegte Sultaninen. Außerdem sind ein paar frisch aufgeschnittene Pflaumen wahrzunehmen. Mit ein paar Minuten Abstand entwickelt sich dieser Whisky und zeigt nun auch ein paar Spritzer Zitrusfrüchte. Lässt man den Malt noch ein wenig länger im Glas, entwickeln sich die Aromen etwas würziger. Auch der Gedanke an Möbelpolitur wurde bei unserer gemeinsamen Verkostung genannt, was aber keineswegs im negativen Sinne gemeint war. Auch ein wenig Leder ist zu vernehmen. Man kann sich einige Zeit mit diesem Malt beschäftigen und würde von floral über fruchtig bis herbal noch einige Aromen identifizieren. Das macht Spaß und ist uns satte 8,5 Punkte wert.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 8
Der Geschmack spiegelt nicht unbedingt auf Anhieb wieder, was die Nase erahnen ließ, dennoch ist der Charakter auf der Zunge auch hier zunächst eindeutig fruchtig und leicht süß. Die Früchte sind eher hellfruchtig wie zum Beispiel süße Mandarinen. Dazu besticht er aber vor allem mit herben Anklängen von Kakao, Kaffee, Cappuccino und Espresso. Die fast 5 Jahrzehnte alten Fässer zeigen sich aber auch in einer deutlichen Bitterkeit die vom Eichenholz herrührt. Diese durchgehende, bittere Holznote kontrastiert wunderbar die süßen und fruchtigen Aromen. Für uns einen Tick weniger begeisternd als in der Nase, aber trotzdem noch richtig gut.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 7,5
Die fruchtigen Aromen klingen mittellang ab und gehen über in ein adstringierendes Mundgefühl. Vor allem die holzige Bitterkeit hält sich noch lange am Gaumen, während sich hier und da noch ein paar getrocknete Orangen und Waldhonig zeigen. Trotz des doch relativ langen Abgangs würde man sich diesen etwas voluminöser und vielfältiger wünschen, trotzdem gut.
Preisleistung (0 – 10): 8
Ein Single Malt mit diesem Alter ist normalerweise mindestens viermal so teuer. Von daher war er uns den Spaß wert und wir wurden nicht enttäuscht. Den günstigen Preis bezahlt man natürlich damit, dass weder Whiskyregion noch Destillerie genannt werden. Außerdem ist der gute Tropfen gefärbt und höchstwahrscheinlich auch kühlgefiltert.
Gesamtbewertung (0 – 10): 8
Es mag insgesamt sicher noch Luft nach oben geben, aber das ist ein Whisky, so wie wir uns einen alten Tropfen vorstellen. Ein richtiger Old School Whisky. Eine tolle Nase die man stundenlang verriechen könnte. Ein würzig, süßer und fruchtiger Geschmack, durchaus komplex, aber gefällig. Ein Abgang der in Wellen kommend und gehend Aromen von Honig, Kräutern und dezenter Eiche transportiert. Ein Highlight und der älteste Whisky, den wir bislang im Glas hatten.
Wir wurde nicht nur nicht enttäuscht, sondern waren sogar ziemlich begeistert von diesem Whisky. Man muss natürlich auch wissen, was man bei solch alten Tropfen zu erwarten hat. Wer für das viele Geld und das hohe Alter einen intensives Komplexitätsmonster erwartet, wird wohl enttäuscht sein. Bei solchen Fässern wäre die Reifung nach dieser langen Zeit vielleicht auch einfach drüber gewesen. Für solch eine lange Reifezeit sind Refill-Fässer oft die bessere Wahl. Es gibt natürlich diese komplexeren, alten Whiskys. Aber dieser Ben Bracken ist ohne Fehl und Tadel. Ein schöner Weihnachtswhisky, den wir in der Adventszeit verkostet haben.