Whisky blind am Bahnhof
Ich trinke ja häufig blind am Bahnhof Whisky. Ob ich zuerst mit dem Whisky oder der Blindheit angefangen habe, weiß ich gar nicht mehr so recht. Aber am Wochenende gab es da doch ein Novum, von dem ich berichten will.
Neujahrsempfang
Geladen zum Neujahrsempfang auf den Whisky- und Genussbahnhof hatte Thorsten Rech. Und selbstverständlich waren wir der Einladung gerne gefolgt, haben wir nach Genusswanderungen und beim jährlich stattfindenden Whisky in the Valley dort doch bisher ausschließlich überaus positive Erfahrungen im Etablissements des ausgewiesenen Whiskykenners machen dürfen.
Nach dem Food Pairing
Also warum nicht einmal online? Hagen und ich nahmen insofern samstags direkt nach unserer sehr gelungenen Veranstaltung zum Food Pairing mit Annick Seiz gerne teil. Auch das war ein wunderbares, verbindendes Ereignis gewesen, für dessen unentgeltliche, großartige Ausgestaltung wir Annick zu großem Dank verpflichtet sind.
Vorbereitungen
Durch meine Blindheit muss ich einigermaßen gut geordnet, strukturiert und vorbereitet in ein solches Tasting gehen. Das ist die Theorie. In der Praxis scheitere ich regelmäßig daran. Aber was soll es? Wie Friedrich Nietzsche schon so trefflich schrieb: „Man muss noch etwas Chaos in sich tragen, um einen tänzelnden Stern gebähren zu können.“
Die Praxis
Wie ich beim Food Pairing an meinem Chaos vollkommen gescheitert war, sollte sich das an diesem Abend doch umkehren. Auf Facebook hatte ich grob einmal überflogen, welche Whiskys es geben würde. So gut vorbereitet bin ich normalerweise nicht. Und eine Kollegin war so freundlich und hatte mir die 6 Fläschchen in eine sinnvolle Reihenfolge von A bis E mit einem ? am Ende gestellt.
Einschenken
Rund 30 Minuten vor dem Tasting war ich sogar noch zum Einschenken der Malts gekommen. Dabei rieche ich immer am Eingeschenkten und mache sozusagen ein erstes Quick-Nosing. Die ersten Eindrücke sind immer ein wenig variant zu demjenigen, was sich nach einiger Zeit der Entwicklung im Glas zeigt. Und dann wieder nach den ersten Schlücken.
Erste Eindrücke
Und da kam doch bei mir direkt Verwunderung auf. B war nämlich sehr eindeutig speckig-rauchig. D mit einer sehr starken Karamellnote, wie sie mich immer an Glenrothes denken lässt. Und E war dann wieder trocken-rauchig. Speckrauch war eigentlich gar nicht im Lineup, meinte ich mich zu entsinnen. An einen Glenrothes konnte ich mich auch nicht erinnern. Und für einen Laphroaig war E nicht medizinisch genug.
Klärung
Zum Nachlesen war es zu spät, es würde sich sicher im Tasting klären. Aber irgendwie war ich mir auch sehr sicher, dass meine Kollegin wohl die Fläschchen doch falsch gestellt haben würde, denn so viel Speckrauch als B konnte ich mir beim besten Willen in Relation zu den anderen Quick-Nosing-Ergebnissen von der Reihenfolge her nicht vorstellen.
Mehr Chaos
Die übrigen Teilnehmer verfügten über ein sehr schön ausgearbeitetes Programm mit Tasting Notes, dass ich natürlich im Vorfeld nicht gescannt hatte. Und so würde sich das im Verlauf schon aufklären. Manche behaupten ja, Goethes letzte Worte wären „Mehr Licht“ gewesen. Geheime Quellen aber berichten, tatsächlich hätte er sich mit „Mehr Chaos“ aus seinem irdischen Dasein verabschiedet.
Restaurant Bahnsteig 1
Wir fanden uns also virtuell im Restaurant Bahnsteig 1 ein. Moderierend begrüßte Thorsten unterstützt von Constantin die Runde und stellte den schottischen Musiker Cameron Arndt vor. Er hatte uns mit Gitarre und Gesang schon bei dem großartigen Tasting von Markus Eichhorn – einen Bericht darüber unter dem Titel Nackttanz, Whisky, Musik und Rätsel: Die Winter-Whisky Online-Experience gibt es hier – begleitet.
Die Runde
Da Thorsten der liberalen Burschenschaft Alemannia Bonn angehört, fanden sich doch einige inkorporierte Herren aus verschiedenen Verbindungen ein und bildeten eine illustre Runde mit einer Dame, deren Anwesenheit nicht verschwiegen werden soll. Als Redner der Freimaurerloge Friedrich zur Vaterlandsliebe, des Distrikts Rheinland-Pfalz / Saarland in der Großloge der alten freien und angenommenen Maurer von Deutschland und Ordensbruder im Alten Angenommenen Schottischen Ritus, schätze ich mittlerweile das Traditionsbewusstsein und die Wertegebundenheit, die in solchen Vereinigungen unzweifelhaft herrschen.
Rechts und links
Nun, in jungen Jahren war das nicht ganz so bei mir. Da hat man mich am 1. Mai eher auf der anderen Seite gefunden. Heute, da politische Orientierungen wie rechts und links für mich meist nicht mehr sind als eine ideologische Etikettenkleberei, welche die Unfähigkeit zur Menschlichkeit überdecken soll, interessiert mich das ohnehin nicht mehr so. Politik ist wichtig. Ihre Orientierung ebenfalls. Aber ohne eine menschliche Lebenspraxis ist sie vollkommen wertlos. Und in dem Bereich haben wir eher Probleme. Ideologie und politische Richtung sind schnell gemacht. Humanität hingegen braucht Zeit.
Wolfburn Vibrant Stills Edition 2019
Nach der Begrüßung ging es mit Whisky A, dem Wolfburn Vibrant Stills Edition 2019, los. Das Small Batch aus den PX-Fässern 152 – 154 wurde mit 50 % in 1.500 Flaschen abgefüllt. Ich verroch ihn ein zweites mal, fragte mich vor allem, ob bei mir A auch A sein würde, verkostete und war mir sicher, dass es passte. Der Alkoholgehalt, 4 Jahre, destilliert also 2015, PX und vordergründig ein maritim anmutender Charakter.
Wolfburn No. 375
Von dem Wolfburn No. 375, den ich offen habe, ist mir dieser maritime, leicht raue Charakter vertraut. Der Wolfburn Vibrant Stills hat aber im Vergleich beider deutlich mehr zu bieten. Er deutet doch sehr klar an, was die Destillerie, die erst 2015 den Brennvorgang aufgenommen hat, zukünftig noch zu bieten haben wird, wenn die Zeit und die Fässer für den Whisky gearbeitet haben werden. Toller Auftakt und nicht ohne Grund wird er in der Whiskybase mit fast 87 Punkten bewertet.
Musik und Spannung
Während einem Song von Cameron, der aus Livingston, Schottland, live zugeschaltet war, wuchs dann die Spannung bei mir. B würde niemals B sein, da war ich sicher. Entspannung durch Musik und Spannung durch Zukunftserwartung. Eine gute Kombination.
GlenAllachie 2008 Pedro Ximenez & Pinot Noir Cuvee Cask Finish
Whisky B wurde angesagt und ich hätte eigentlich nach dem zweiten Riechen gar nicht mehr erst probieren müssen um zu wissen, dass der niemals der GlenAllachie 2008 Pedro Ximenez & Pinot Noir Cuvee Cask Finish hätte sein können. Der Rauch war sehr eindeutig in meinem Glas und auch im Geschmack. Also hatte da meine Kollegin wohl doch falsch gestellt. Das war doch eine schöne Aufgabe für mich.
Verwechselung
Wo würde ich also den GlenAllachie finden? Mir war noch gegenwärtig, dass es 2 rauchige im Lineup gegeben hat. Und die würden vermutlich am Ende kommen. So sollte sich der GlenAllachie tatsächlich also unter D oder E finden lassen. E war bei mir ebenfalls rauchig, schied also aus. Und D kam für mich eigentlich auch nicht in Frage, da der zu viel Karamell hatte. Da blieb bei mir nur C. Ich entschied mich für das entsprechende Selbstvertrauen und nahm C zur Hand. Mir erschloss sich allerdings zunächst nicht, wie es da zu einer Verwechselung hatte kommen können.
Endlich der GlenAllachie
Mein GlenAllachie, und auch er war mir doch recht vertraut, da uns Kirsch Whisky dankenswerter Weise eine ganze Flasche davon für unseren Blog zur Verfügung gestellt hat, worüber Hagen ein Whiskygramm geschrieben hat, war wie immer sehr gut.
Bewertung
Eben weil er so lecker, aber nicht ganz einfach ist, haben 10 cl davon bei mir schon das Zeitliche gesegnet. 53,9 % aus Bourbon-, PX- und Pinot Noir-Fässern. Insgesamt 12-jährig. Fein, fruchtig, komplex, was Billy Walker da wieder in 4.761 Flaschen abgefüllt produziert hat. Finden nicht nur wir. Meinen auch die Experten der Whiskybase, wo er mit knapp 89 Punkten bewertet ist. Tolle Preisleistung.
Verwirrung
Hagen, der immer zu langsam säuft und auf den man in diesem Kontext besonders fürsorglich achten muss, war wohl noch mit dem Wolfburn beschäftigt, als nach einiger Zeit der Verkostung des GlenAllachie ein Teilnehmer bekundete, dass der doch wirklich einiges an Rauch hätte. Jetzt wurde es spannend. Da hatte meine Kollegin wohl doch nicht falsch gestellt. Bei ungefähr der Hälfte der Teilnehmer zeigte sich dieser Effekt nun. Die Verwirrung war perfekt.
Entwirrung
Der hervorragenden Stimmung konnte dies keinen Abbruch tun. Im Gegenteil. Das lockerte doch noch einmal zusätzlich auf. Vornehmlich anhand farblicher Unterschiede ging es für die Teilnehmer nun an die Neusortierung. Die ergab, dass B wohl mit D vertauscht sein musste. Demzufolge wäre B dann bei mir ein Laphroaig gewesen. Da war ich mir aber wieder sicher, dass dies bei mir nicht so war. B musste bei mir der Ballechin sein. Farblich entwirrte es sich nun bei den meisten, ich blieb skeptisch, weil ich noch immer nicht ganz durchstieg.
Glenburgie 2008 His Last Choice Whiskyhort
Danach wurde es leicht sentimental und noch ein Stück besser vom Whisky her. Der Glenburgie 2008 His Last Choice vom Whiskyhort erinnert an Jürgen Schneider, eine echte Deutsche Whiskylegende, die nicht nur den Whiskyhort aufgemacht hat, sondern vorher die Distel und später das Distel-Revival-Treffen auf den Weg gebracht hat. Wir kannten ihn von der ein oder anderen Messe und bedauern sehr, diesen humorvollen Sympathieträger und profunden Whiskykenner im Diesseits nicht mehr treffen zu können.
Traditionsbewusstsein und Erinnerung
Traditionsbewusstsein schätze ich auch deshalb, weil so die Erinnerung an erinnerungswürdige Menschen hochgehalten wird. Genau in diesem Sinne wird es zur Humanität. Also kein Zufall, dass sich ein solcher Whisky, den ich unbedingt probieren wollte, im Lineup des Abends finden ließ. Das zeichnet Thorsten und das Restaurant Bahnsteig 1 aus. Sie sind aufmerksam und vergessen nicht. So auch beim „Whisky in the Valley 2020“, als wir mit einem Glendronach, der ein Vierteljahrhundert alt war, auf Thorstens Mitte 2019 plötzlich verstorbene Mitarbeiterin Lina beim „Whisky in the Valley“ angestoßen haben. Guter Whisky für gute Menschen auf gute Menschen. Das passt.
Wieder der Glenburgie
Bei mir war der Glenburgie sehr sicher Whisky D. Er kommt aus einem first fill Ruby Port Fass, in dem er gefinisht worden ist und das ist unverkennbar. Mit Glenburgie kenne ich mich nicht sehr gut aus, aber die Karamellnote und würzige Süße hielt ich für eindeutig. Der erinnerte mich ein wenig an den Gewinner des Abends beim Tasting mit Markus, einen Tomatin, der eine Vollreifung im Portweinfass ist und ähnliche Noten noch ausgeprägter mitbringt.
Gewinner des Abends
Ich bin froh das Thorsten eine der 196 Flaschen, die zu Ehren von Jürgen mit 59,9 % vom Whiskyhort abgefüllt worden sind, für das Tasting zur Verfügung gestellt hat. Er wurde für die meisten und mich zum Gewinner des Abends. Von 2008 bis 2019 reifte der 11-jährige Whisky, der in der Whiskybase auf knappt 89 Punkte kommt. Ein guter Whisky für gute Menschen auf einen guten Menschen. Das passt.
Laphroaig 10 Cask Strength Batch 11
Nach dem Glenburgie wurde es nicht wesentlich schlechter. Bei mir ging es zu Whisky E, einem Laphroaig 10 Cask Strength Batch 11. Sie sind eigentlich immer eine sichere Bank und die vorherigen Batches, die bei mir bisher im Glas gelandet waren, haben mir doch alle recht gut gefallen. Klar rauchig, aber nicht sonderlich medizinisch in der Nase. Das machte mich ein wenig unsicher. War das vielleicht doch der Ballechin? Ich probierte und war mir sicher, dass es der Laphroaig sein musste. Das schmeckte nach Islay.
Das Puzzle
Mir war zwar immer noch nicht klar, wie Speck in den Ballechinrauch gekommen sein sollte und warum der hinter dem Laphroaig im Lineup zu finden war, letzteres äußerte Hagen auch als Frage am Ende, aber das war klar der Laphroaig. So ein Puzzle ist doch erst dann wirklich interessant, wenn es bis zum letzten Steinchen ungelöst bleibt und noch kein Bild ergibt.
Wider der Laphroaig
Mit seinen 58,6 % tritt der Laphroaig weniger wuchtig an, als man dies vermuten könnte. Und die iodigen, medizinischen Noten sind ebenfalls recht zurückhaltend, aber klar vorhanden. Die trockene, aschige Rauchigkeit passt wunderbar. Nicht wirklich komplex, aber laphroaigtypisch einfach gut und klar. Mit knapp über 89 Punkten kommt der 2019 abgefüllte Whisky auch in der Whiskybase gut an. Ebenso, wie in unserer illustren Runde.
Ballechin XPTMXCIH 2003 – 2015
Das letzte Puzzleteilchen kam dann an die Reihe, also Whisky E, der bei mir B gewesen sein müsste. Ein sehr kräftiger Antritt und ein sehr einnehmendes Mundgefühl. Im Geschmack weniger speckrauchig, als in der anfänglichen Nase. Aber doch sehr mineralisch-lagerfeuerrauchig. Und nicht von Islay, das schien mir sicher.
XPTMXCIH
Die Entschlüsselung der Abkürzung XPTMXCIH brachte mir dann die Einsicht und endgültige Aufklärung. Es steht für „eXtra Peat Through Maturation in aN eX-Caol Ila Hogshead“. Da war doch die Speckigkeit durch Caol Ila erklärt und die mineralische Rauchigkeit mit den 50 ppm / Phenole, mit denen bei Edradour für die Marke Ballechin damals gearbeitet worden ist, auch.
Ende und Anfang
Mit dem Ballechin aus dem Refill Hogshead von Caol Ila der Nummer 168, das nach 12 Jahren 2015 mit 54,9 % in 288 Flaschen abgefüllt worden ist, endete das Lineup. Edradour hat mit den Ballechins 2003 begonnen und so war dies wohl eine der ersten Destillate unter dieser Markenbezeichnung. Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Schön, dass es die Ballechins gibt. Und schön, einen so guten, ursprünglichen Vertreter davon, der mit rund 87,5 Punkten in der Whiskybase bewertet wird, am Ende des Lineups im Glas gehabt zu haben.
Die verbindende Kraft des Rock ’n‘ Roll
Zwischendrin hatte Cameron immer wieder einige Stücke zum Besten gegeben. Und darunter doch einiges aus dem Rockbereich wie Ace of Spades von Motörhead. Auch immer eine sichere Bank um Drive in eine grundsätzlich gelassene Stimmung zu bringen. Ich hatte schon das Glück die Nummer auch bei freimaurerischen Arbeiten mit den Masonic Bikern hören zu dürfen. Einen Eindruck davon kann man bei dem Podcast „Freimaurer-Spaziergang“ in der Folge „Menschen, Maurer, Motoradfahrer“ bekommen. Whisky, Genuss, Burschenschaften, Freimaurerei und eben auch dem Rock n‘ Roll wohnen eine verbindende Kraft inne.
Ein Fragezeichen nach dem Fragezeichen
A bis E war also durch. Es blieb das ? nach dem Fragezeichen. Wir schnupperten also und versuchten uns zunächst über die Whiskyregionen heranzutasten. Früh kam der Tipp, dass der Malt aus einer Region sei, die wir noch nicht hatten. Dann wurde konkreter Campbeltown genannt. Und dann war es naturgemäß auch nicht mehr so schwer. Springbank in allen Varianten hielt ich für unwahrscheinlich. Und tatsächlich war es dann auch ein Glen Scotia.
The Scotch Malt Whisky Society
Die The Scotch Malt Whisky Society, der Abfüller des Glen Scotia, zieht alle Register eines guten Marketings. So werden die Abfüllungen einerseits mit einer onomatopoetischen Beschreibung, in diesem Fall „Olive oil whirlpools“, ähnlich wie bei Wemyss Malts, bedacht. Andererseits werden Destillerie und Fassart numerisch kodifiziert, ein wenig wie bei Scotch Universe.
GlenScotia 2007 SMWS 93.135
Nun, Oliven habe ich bei ihm jetzt nicht unbedingt gefunden. Aber doch ein leichtes Nussaroma in der Nase und schöne, süße, würzige, leicht fruchtige Noten, die auch noch nach dem Laphroaig und Ballechin, freilich nach Neutralisation mit einem Zwibie, durchgekommen sind. Wir waren uns einig, das Glenscotia immer eine Wundertüte und häufig unterschätzt ist.
Glen Scotia
Diese Abfüllung, 203 Flaschen aus einem first fill Bourbon Barrel, kommt mit guten 56,9 % daher und kann nach den 12 Jahren Lagerung von 2007 bis 2020 mit den satten Noten überzeugen. Mich wundert es nicht. Eine ganze Reihe an Single Casks von Glen Scotia stehen bei mir. Einfach unterschätzt und daher meist eine gute Preisleistung.
Erfahrung und Meinung
Erfahrungsbasiert muss man sich da einfach eine eigene Meinung bilden. Aber das gilt ja nicht nur für den Whisky. Das gilt auch für Menschen und Gruppen von Menschen. Bevor man sie ablehnt, sollte man mit ihnen in Kontakt gekommen sein. Whisky baut Brücken zwischen Menschen und Gruppen. Darübergehen muss man immer noch selber. Und das möglichst gelassen und angstfrei.
Nachbetrachtung
Was mich immer noch ein wenig nachdenklich stimmt, ist die Reihenfolge, zu der ich gekommen bin. Bei mir war sie A, C, D, E, B. Die anderen Teilnehmer hingegen, welche die Samples nach Farben sortiert haben, sind zu A, D, C, B, E gekommen. Praktisch betrachtet kann natürlich beides zustandekommen.
Wahrnehmung
Da die Farbwahrnehmung natürlich etwas verlässlicher ist, als die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung, ein wenig dazu findet sich in diesem Artikel, werde ich vermutlich einfach falsch gelegen haben. Dann hätte ich den Ballechin mit dem Laphroaig und den Glenburgie mit dem GlenAllachie verwechselt. Kann das sein? Auf jeden Fall. Denkbar ist dennoch, dass die Farbzuordnung nicht ganz gepasst hat. Oder, es hat sogar verschiedene Verwechselungsfehler beim Etikettieren gegeben.
Ein ungelöstes Rätsel
Dafür, dass das Tasting nicht einmal als Blind-Tasting gedacht war, hat mir kaum ein solches vorher so viel Freude bereitet. Wie die wahre Reihenfolge tatsächlich gewesen ist, wird vermutlich für mich immer ein ungelöstes Rätsel bleiben. Aber das ist nicht wichtig. Brücken gebaut hat der Whisky trotzdem. Und er hat Freude gebracht. Vielleicht sogar genau deshalb so viel davon, weil sich die Etikettenkleberei im tatsächlichen Sinn als ebenso fehlerbehaftet erwiesen hat, wie die im ideologisch-politischen Kontext.
Ordo ab chao
Die Alemannia Bonn gibt auf ihrer Internetseite als Wahlspruch „Gott, Ehre, Freiheit, Vaterland“ an. Damit können wir in der Freimaurerei auch etwas anfangen. Außerdem mit Toleranz, Frieden, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Gleichheit, Menschenliebe und vielen Werten mehr, die man nicht nur proklamieren und diskutieren, sondern vornehmlich auch leben sollte. Einer unserer orientierenden Wahlsprüche im Schottischen Ritus lautet „Ordo ab chao“. Und dabei geht es eben nicht um eine Ordnung, in der einfach die richtigen Etiketten auf den richtigen Flaschen zu kleben haben. Sondern um eine Ordnung, die einen erkennen lässt, was wesentlich ist. Und das waren in diesem Fall ganz sicher eher die Menschen, die in Gemeinschaft den Whisky genossen haben.
Licht ins Dunkel
Ich konnte also nicht ganz Licht ins Dunkel um die korrekte Reihenfolge bringen. Aber ich habe mich um Aufklärung bemüht. Und es hat viel Freude gemacht. Ich werde auch weiterhin blind Whisky an Bahnhöfen trinken. Ganz besonders, wenn mir dort Thorsten, Constantin und die übrigen Gäste der Veranstaltung begegnen. Meine Dame, meine Herren, Hagen und mir war es eine Ehre und ein Vergnügen.