Ein Whisky, der nicht in der Whiskybase zu finden ist? Auch das gibt es heutzutage noch. In der Bar-Karte meines Urlaubshotels auf Gran Canaria war es der einzige Whisky, den ich noch nie getrunken habe und den ich vom Namen her auch bislang nicht kannte: Royal Black mit einer Altersangabe von 12 Jahren.
Reisen bildet
Unter dem Deckmantel des Bildungsurlaubes musste ich mir den also mal bestellen. Vielleicht ist das Etikett nicht korrekt abgeschrieben, wie so oft, und es handelt sich eigentlich um einen kanadischen Rye Whisky mit dem Namen Crown Royal Black? Hat man auch nicht jeden Tag im Glas, also warum nicht?
Die allabendliche Unterhaltungsshow läuft und der Kellner schenkt mir den guten Stoff stilvoll direkt am Tisch ein. Dass ich die obligatorischen Eiswürfel nicht möchte, hat zum Glück auch funktioniert – sin hielo por favor. Über den schweren Tumbler kann ich im Urlaub auch hinwegsehen, er liegt gut in der Hand und von der Gläserpolizei ist weit und breit nichts zu sehen. Alles sehr tolerant hier im Süden.
Deluxe Scotch Whisky
Trotz des dämmernden Lichtes kann ich die Aufschrift auf der etwas in die Jahre gekommenen Flasche lesen: Deluxe Scotch Whisky. Aha! Doch kein Kanadier.
Netterweise überlässt mir der Kellner die Flasche kurz für ein Foto. Es handelt sich also tatsächlich, laut Aufschrift, um 100% schottische Whiskys geblendet und mit 40% abgefüllt für die Longman Distillers Edinburgh.
Firmenimperium
Hier bringt mich Google weiter, obwohl ich diese Flasche selbst nirgends im weltweiten Netz finden kann. Die Longman Distillers sind ein Massenexport-Unternehmen für Blended Whiskys und wurden 1965 als Exportarm für die Invergordon Distillers gegründet. Vor allem werden die USA, Deutschland, Italien und der ferne Osten beliefert. So findet man dann doch in der Whiskybase u.a. einen Ainslie’s Royal Edinburgh, der für den italienischen Markt in der ähnlichen Flaschenform abgefüllt ist und ausschließlich noch in Italien als Rarität für knapp 600,- Euro erhältlich ist.
Zu den weiteren Marken der Company gehören u.a. Glenfoyle und Glen Eagle, von denen man vielleicht mal was gesehen hat. 1993 wurde Longman Distillers zusammen mit Invergordon Distillers von Whyte & Mackay gekauft. Diese wiederum gehören mittlerweile zur Emperador Distillers Inc. von Dr. Andrew Tan, einem selfmade Milliardär mit chinesischen und philippinischen Wurzeln. Ihm gehören außerdem Bodegas in Jerez und einige Weinberge in Toledo, deren Sherrys und Brandys vor allem nach Asien exportiert werden. Aus diesen Firmenkonstrukten wird einem halbwegs klar, wie das Zusammenspiel von Quellen für frische Sherryfässer, die Whiskys selbst und die weltweiten Vertriebswege wohl funktioniert.
Zum Unternehmen selbst gehören auch weitere Destillen, für die Whyte & Mackay das operative Geschäft führt: Dalmore, Fettercairn, Tamnavulin und Jura. Da die Longman Distillers auch Abfüllungen mit eigenem Label anbieten, lautet meine Schlussfolgerung, dass es sich hier um einen, für einen kanarischen Zwischenhändler abgefüllten Blend aus Grain Whisky der Invergordon Distillery und Malt Whisky von einer oder mehrerer der voran genannten Distillen handeln könnte. Das ganze mit einer Altersangabe von 12 Jahren versehen. Muss nicht unbedingt schlecht sein.
Auge / Anblick, Farbe:
Helles Gold. Gefärbt? Vermutlich ja.
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 5
Hätte man behauptet mir hier tatsächlich einen Rye oder einen Bourbon serviert zu haben, hätte ich das zunächst geglaubt. In der Nase ist er sehr getreidig und süß, dazu ein leichtes Klebstoffaroma, welches man auch in dem ein oder anderen Bourbon findet. Etwas erinnert an Haferflocken und Porridge. Fruchtigkeit oder Sherryaroma nehme ich nicht wahr.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 5
Auf der Zunge ergibt sich zur Nase keine große Überraschung. Getreidig, mild und süß benetzt er die Zunge, von der Intensität her recht typisch für einen 40%igen Vertreter, ohne dabei aber, wie so oft, wässrig zu wirken. Neben dem Getreidegeschmack klingt nun aber auch noch eine deutliche Malzigkeit an, was mich zur Aussage verleitet, dass neben dem Grainwhisky, dessen Geschmack hier sehr an einen ganz ordentlichen Single Grain erinnert, der Maltanteil nicht allzu niedrig sein wird. Ich schätze ihn auf 25-30%.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 5
Malzig, mild und angenehm klingt der gute Tropfen ab. Knapp verpasst er für mich die Klassifizierung als mittellang. In der Kürze liegt aber auch nicht viel Würze, auch bei 40%igen Whiskys klang schon mehr nach.
Preisleistung: N/A
Da ich nicht weiß, was so eine Flasche jemals gekostet hat, kann ich dazu nicht viel sagen. Die 5cl kosten in der Bar 8,60 Euro und liegen damit etwa auf einem Niveau mit dem ebenfalls erhältlichen Knockando 12. Mir wurde großzügig eingeschenkt, von daher bin ich mehr als zufrieden.
Gesamtbewertung und Fazit: 5
Zunächst musste ich mich auf diesen Whisky einlassen, da ich zuerst nicht wusste, was ich erwarten sollte und mich Blends oft am Anfang etwas ratlos dastehen lassen, weil ich nicht weiß wo ich sie einordnen soll. Das hat mir allerdings schon den ein oder anderen Ehrenpunkt beim Blindtasting eingebracht. Was werde ich hier im Glas gehabt haben? Einen 12 Jahre, vermutlich in Bourbonfässern gereiften Grainwhisky, geblendet mit einigen Fässern Malt Whisky, auch hier würde ich auf Bourbonfässer tippen. Über die Herkunft des Maltanteils kann ich nur spekulieren. Bei Dalmore würde ich eher einen etwas sherrylastigeren Whisky erwarten, also eher nicht. Jura würde ich vielleicht erkennen, blieben also Tamnavulin und Fettercairn. Vielleicht aber auch etwas völlig anderes. Das Endergebnis ist nichts weltbewegendes aber durchaus brauchbar. Ein Whisky, der einem breiten Publikum wohlschmecken dürfte, niemanden überfordern sollte und somit bestens in jede Hotelbar dieser Welt passt. Es war auch durchaus mal spannend, spannender als der Whisky selbst, sich auf die Spur eines mysteriösen Blends zu begeben und dadurch ein wenig mehr über die Konzernzugehörigkeit einiger Destillen zu erfahren.
Maribel salas
Yo tengo una botella de royal black que tiene más de 20 años