Wie wird aus einer alten Eiche ein Whiskyfass? Wie prägen Bourbon-, Sherry- und Virgin-Oak-Fässer unseren Dram? Und was passiert, wenn ein Fass sein Whisky-Leben hinter sich hat?
„Whisky & Holz“
Es ist einer dieser Abende, an denen einfach alles in die richtige Richtung fließt.
Ich komme vom Sport, die Beine schwer, der Kopf wach, der Proteinshake bereits Geschichte. Das Mikrofon – eine frische Anschaffung, die hoffentlich weniger knistert als ihr Vorgänger – meldet sich erstmal mit einem Update-Fenster, das so aussieht, als wolle es sich gemütlich machen. Also schenke ich mir etwas ein. Man muss Prioritäten setzen.
Phil hat denselben Gedanken. Bei ihm wandert ein Deanston Virgin Oak ins Glas, ein ehrlicher, direkter Dram, der zeigt, was frisches Holz kann, wenn man es richtig behandelt. Virgin Oak kann schnell nach frisch gemähtem Rasen und Werkbank riechen, aber Deanston bekommt es meistens gut hin, den Holzhammer in eine vanillig-würzige Cremigkeit umzuwandeln. Ich selbst entscheide mich für einen GlenAllachie Cuvée Cask, eine aromatische Fusion aus Oloroso-, Chinquapin- und einem italienischen Rotwein-Fass, die so klingt, als würde Billy Walker persönlich im Fasslager Saxophon spielen.
Während wir darüber scherzen, dass ich vielleicht der erste Whiskyblogger werden könnte, der parallel einen Fitnessblog startet – Saufen und Laufen, das ultimative Crossover –, driften wir in ein Thema hinein, das uns beide schon lange fasziniert: die Welt der Whiskyfässer. Nicht eine Destillerie, nicht eine Region. Sondern das Holz selbst. Die Seele im Hintergrund. Das unscheinbare Gefäß, das am Ende den Großteil des Aromas bestimmt.
Und natürlich mit der Frage: Was genau passiert eigentlich vom Moment an, in dem ein Baum im Wald steht, bis zu dem Moment, in dem ich den ersten Tropfen eines Whiskys im Glas habe, der durch dieses Holz geformt wurde?
Daraus wird ein Gespräch, das sich fast von selbst schreibt: über alte Eichen, dampfende Küfereien, Bourbonfässer, die Ozeane überqueren, STR-Aufbereitungen, die wie Wellnesskuren für ermüdete Fässer funktionieren, und über die unerschütterliche Tatsache, dass ein Fass nicht endet, sobald der Whisky ausgezogen ist – im Gegenteil, für viele beginnt erst dann das dritte Leben.
Geburt im Wald – die geduldige Eiche
Bevor überhaupt an Whisky zu denken ist, braucht die Natur erstmal Zeit. Viel Zeit. Die amerikanische Weißeiche, die später zu Bourbonfässern werden soll, oder ihre europäische Verwandte, die gerne Sherry oder Wein beherbergt, wachsen nicht im Schnellverfahren. Sie stehen zwischen sieben und zwanzig Jahrzehnte im Wald, trotzen Wind, Wetter, Insekten, Vogelnestern und vermutlich dem ein oder anderen Eichhörnchen, das mit ihnen keine langfristige Beziehung führt.
Irgendwann ist der Tag gekommen. Der Baum fällt und beginnt damit seine Reise in die Whiskywelt. Doch ehe eine einzige Daube entsteht, muss das Holz ruhen, trocknen, ausdampfen, atmen. Manchmal ein Jahr, manchmal zwei, manchmal auch mehr. Der Küfer möchte Holz, das flexibel genug ist zum Biegen und stark genug zum Dichten, aber frei von den Gerbstoff-Explosionen eines frischen Stammes. Lufttrocknung macht das möglich. Und braucht Geduld. Genau das, was Whisky später auch brauchen wird.
Der Cooper – ein Handwerk, das man nicht automatisieren kann
Wenn das Holz soweit ist, tritt der Cooper auf den Plan. Ein Beruf, der heute fast museal wirkt, obwohl er völlig unverzichtbar ist. Man kann vieles mechanisieren, aber kein Roboter versteht Holz. Kein Algorithmus erkennt, welche Daube sich elegant biegen lässt und welche sich im letzten Moment mit einem hörbaren Knacks verabschieden würde.
Der Cooper schneidet die Dauben entlang der Fasern, damit das spätere Fass von Natur aus dicht ist. Er setzt sie zusammen, zunächst trocken, dann unter Dampf. Es riecht nach warmem Holz, nach Werkstatt, nach generationsüberliefertem Wissen. Irgendwann ist der Moment erreicht, an dem die Fassform entsteht – ein Gebilde, das nur durch die Spannung des Holzes und die Eisenreifen zusammengehalten wird.
Dann folgt der Teil, der die Aromageschichte eines Whiskys prägt wie kaum ein anderer: die Innenseite des Fasses wird erhitzt, getoastet, karamellisiert, ausgekohlt. Ein kurzer, kontrollierter Brand verwandelt das Fass in eine aromatische Schatzkammer. Vanille, Karamell, Röstaromen – all das entsteht in dieser Phase. Man sagt oft, ein Fass sei eine Art „Holzgewürz“ für Whisky. Aber eigentlich ist es viel mehr. Es ist ein zweiter Brennvorgang, nur im Zeitlupentempo.
Bourbonfässer – ein Geschenk aus Kentucky (und ein wachsender Engpass)
Die meisten Whiskyfässer in Schottland waren einmal Bourbonfässer. Nicht aus Tradition, sondern aus Gesetz: Bourbon darf nur in frischen, einmalig getoasteten und ausgekohlten Eichenfässern reifen. Sobald er abgefüllt ist, wird das Fass überflüssig. Zumindest für die Amerikaner.
Für die Europäer dagegen beginnt die große Chance. Jahrzehntelang fanden Unmengen von Bourbonfässern ihren Weg über den Atlantik – vollgesogen mit Holzzucker, Vanillin und den Röstnoten aus dem amerikanischen Eichenholz. Ein Whisky, der in einem Ex-Bourbon-Fass reift, bekommt vanillige, nussige, cremige Noten, die für viele Destillerien zum charakteristischen Stil gehören.
Doch die Zeiten ändern sich. In den USA wachsen die Craft Distilleries wie Pilze aus dem Boden. Viele von ihnen wollen ihre eigenen Single Malts oder Ryes selbst zweimal belegen. Was das bedeutet, lässt sich erahnen: Der europäische Fassmarkt wird enger. Gute, aromastarke Bourbonfässer werden wertvoller. Und wer sie bekommt, überlegt zweimal, wie er sie einsetzt.
Virgin Oak, Sherryfässer und die Magie der Fassaromen
Ein Fass ist mehr als ein Behälter. Es ist Reaktor, Filter, Aromenspender, Veredler. Die größten Unterschiede liegen dabei in der Frage: Was war vorher drin?
Virgin Oak – frisch, unverbraucht, voller Holzzucker und Vanillin – kann großartig sein, wenn man Feuerholz, Vanille und Würze liebt. Aber es kann auch schnell nach nassem Holzstapel schmecken, nach Sägewerk oder wie das Bambusfrühstück eines Pandabären. Das richtige Maß macht’s.
Sherryfässer hingegen bringen Tiefe, Trockenfrüchte, Orange, Walnüsse, Rosinen. Oloroso wirkt robust und würzig, PX süß und klebrig, Cream Sherry üppig und samtig. Wer einmal einen richtig guten Oloroso-Whisky im Glas hatte, weiß, warum dieser Fasstyp so beliebt ist: Er liefert Wärme, Frucht und Komplexität, ohne den Whisky zu übertönen – wenn er gut gemacht ist.
Rotweinfässer, Port, Madeira, Rum – all diese Varianten spielen ebenfalls eine Rolle. Jedes Fass, in dem zuvor etwas anderes gereift ist, bringt seine Geschichte in den Whisky ein. Kein Fass ist nur Holz. Jedes Fass ist ein kleines Archiv an Aromen.
Was im Fass wirklich passiert – drei Arten der Reifung
Ein Fass tut drei Dinge gleichzeitig, und alle drei sind entscheidend dafür, was später im Glas landet.
Zunächst entzieht das Holz dem jungen Destillat Stoffe, die man nicht haben möchte. Aggressive Ester, metallische Noten, scharfe Lösemittelspitzen – all das wird über die Holzporen aufgenommen oder chemisch gebunden. Das Ergebnis dieser subtraktiven Reifung ist ein runderer, zugänglicherer Spirit.
Gleichzeitig gibt das Fass eigene Aromen ab, die additive Reifung. Es ist, als würde man aus einem langsam brutzelnden Karamelltopf naschen. Vanillin aus dem Lignin, Karamell aus der Hitzeeinwirkung, Röstnoten aus der Verkohlung, Tannine aus den harten Holzanteilen, Phenole aus rauchigen Vorbelegungen – all diese Stoffe wandern nach und nach in den Whisky. Einmal kurz Vanillin erklärt und plötzlich denkt man nie wieder an Dr. Oetker ohne Kentucky.
Und drittens interagiert das Fass mit seiner Umgebung. Sauerstoff dringt in homöopathischen Dosen ein, Alkohol und Wasser verdunsten, Ester bilden sich, Moleküle werden umgebaut. Hier entstehen die Fruchtnoten, die Tiefe, die Eleganz. Je nachdem, wo das Fass im Warehouse steht – oben heiß und schnell, unten kühl und langsam – entstehen ganz unterschiedliche Profile.
Ein und derselbe Whisky kann je nach Lagerplatz zu zwei völlig verschiedenen Persönlichkeiten heranreifen.
STR – Wellnesskur für müde Fässer
Irgendwann ist jedes Fass physiologisch erschöpft. Die Aromen sind weitgehend abgegeben, die Poren liefern nicht mehr viel. Doch statt es zu entsorgen, kann man es revitalisieren – mit der Methode namens STR: shave, toast, rechar. Die innere Schicht wird abgetragen, die Oberfläche neu geschaffen, das Fass anschließend wieder erhitzt und ausgekohlt. Am Ende steht ein Fass, das zwar alt ist, aber mit einer jungen Seele. Ein wenig wie ein Spa-Wochenende für Holz.
Solche Fässer haben einen ganz eigenen Charakter: frisch, aber mit Tiefe; sauber, aber mit Patina.
Whisky & Holz – Handwerk, Herzblut und das zweite Leben der Dauben
Bevor wir zu zwei Whiskys aus besonderen Fassreifungen kommen, lohnt sich ein Blick auf den Mann, der hinter diesen Fässern steht: Matthias von Whisky & Holz. Mit seinem Label verbindet er auf besondere Weise zwei Welten, die erstaunlich gut harmonieren: die Kunst des Holzhandwerks und die Leidenschaft für guten Whisky. In seiner Werkstatt entstehen handgefertigte Unikate aus erlesenem Holz – Tasting-Boards, Fassdauben-Accessoires, Regale, Möbel und Dekorationen aus alter Eiche, Olivenholz, Teak und vor allem aus Dauben ehemaliger schottischer Whiskyfässer. Jedes Stück trägt die Spuren des Holzes in sich, sorgfältig geschliffen, geölt und so verarbeitet, dass seine Geschichte sichtbar bleibt.
Neben dieser handwerklichen Seite baut Matthias seit Anfang 2025 auch ein kleines, aber bemerkenswertes Fasslager auf. Dort reifen ausgewählte Single Malts in 10- bis 15-Liter-Fässern nach – oft in besonderen Süßwein- oder Likörfass-Finishes wie Cream Sherry oder Port. Das Ergebnis sind charakterstarke Einzelabfüllungen, die nicht durch Masse, sondern durch Persönlichkeit überzeugen. Für ihn ist jedes Fass ein eigenes Projekt, jede Abfüllung ein Stück Handwerk und jeder Whisky ein Kapitel einer fortlaufenden Geschichte aus Holz, Aroma und Zeit.
Und genau zwei dieser Geschichten haben wir im Glas – Fass 001 und Fass 003. Beide zeigen eindrucksvoll, wie sehr ein Whisky von der Vorstellungskraft des Menschen geprägt wird, der sein Fass auswählt. Zeit also, die Nase ins Glas zu halten.
Wenn Fässer Geschichten erzählen: Fass 001 von Whisky & Holz
Und damit landen wir bei den beiden Fässern, die uns Matthias von Whisky & Holz zur Verfügung gestellt hat. Fass 001, ein Single Malt aus der Speyside, der 13 Jahre in Oloroso reifte und anschließend noch zwei Monate in einem kleinen Cream-Sherry-Fass finishte, abgefüllt mit 54,7%, zeigt eindrucksvoll, was Holz leisten kann. Schon die Farbe, ein warmes Rotgold, verrät, dass hier Sherry seine Spuren hinterlassen hat.
In der Nase begegnet uns eine ganze Fruchtkomposition aus eingelegten Rosinen, Orangenzesten und dunkler Schokolade. Ein Hauch Schwefel verleiht dem Ganzen ein Stück Struktur. Auf der Zunge tritt der Whisky cremig auf, mit Honig, Orange, Rosinen und einer buttrigen Eleganz. Der hohe Alkoholgehalt fällt kaum auf, so harmonisch ist er eingebunden. Der Abgang bleibt mittellang, süß, aromatisch, wieder leicht schwefelig – aber auf angenehme Weise, wie ein dunkler Gegenton, der das Bild abrundet.
Ein Whisky, der sich fast nebenbei trinken lässt, ohne belanglos zu werden. Ein gelungenes Erstprojekt von Matthias.
Fass 003 – Orkney, Gewürze und die Kunst der Würze
Während Fass 001 anschmiegbar ist, fordert Fass 003 mehr Aufmerksamkeit. Ein Whisky von den Orkney-Inseln, vermutlich Highland Park, mit ca. 56%, der 14 Jahre im Oloroso verbrachte und nun ebenfalls ein Cream-Sherry-Finish erhielt. Die Nase ist sofort würziger, kräuteriger, weiter weg vom Sherrysüßling. Heidekraut, Feigen, getrocknete Aprikosen und ein ganz zarter Torfhauch schwingen mit.
Am Gaumen zeigt sich die Spitze der Würze: Tabakblätter, Zedernholz, Trockenheit, dunkle Kirsche und ein Hauch Nelke verbinden sich zu einem komplexen Dram, der sich erst langsam öffnet. Der Abgang bleibt trocken, warm und würzig, mit dunkler Frucht. Ein Whisky, den man nicht nebenbei trinkt, sondern bewusst. Er belohnt Aufmerksamkeit und hat eine klare, charaktervolle Handschrift.
Das dritte Leben eines Whiskyfasses
Wenn ein Fass schließlich ausgedient hat, endet seine Geschichte nicht. Manchmal steht es noch Jahrzehnte im Garten oder Monate in einer Brauerei, wo dann Bockbier darin reift. Manchmal wird es zu einer Hausbar, einem Couchtisch oder einem Stück Deko, das gleichzeitig nach Vanille, Malz und Erinnerung duftet. Matthias baut aus seinen Fässern Möbel, Boards, Lampen, kleine Kunstwerke – jedes Stück trägt die Biografie des Holzes in sich.
Ich habe selbst zwei Woodford-Fässer im Garten, in denen auch noch Vulkan Bockbier reifte. Auch nach Jahren fliegt manchmal noch der Stopfen, manchmal riecht man aus den Poren Bourbon, Bier und Geschichte zugleich. Das Holz erzählt weiter. Es hört nicht auf.
Das Fazit – und warum Fässer das wahre Herz des Whiskys sind
Wenn man die Reise eines Whiskyfasses betrachtet, erkennt man schnell, dass es nicht nur Behälter, Transportmittel oder Dekostück ist. Es ist ein vollständiges Lebenswerk. Es wächst jahrzehntelang, wird geformt, gebrannt, befüllt, geleert, aufbereitet, wiederverwendet, wiederentdeckt und irgendwann zum Möbelstück oder Kunstobjekt. In jedem Stadium erzählt es etwas. Kein Fass ist gleich. Kein Fass reift zweimal identisch. Und kein Whisky ist nur so gut wie das Destillat – er ist immer auch so gut wie das Holz, das ihn getragen hat.
Phil und ich landen am Ende wieder bei unserem Lieblingssatz, der sich in unserem Podcast etabliert hat und uns jedes Mal daran erinnert, dass Whisky ein Weg ist, kein Ziel:
„Es ist ein langer Weg zum Whisky-Experten. Aber eine wunderschöne Zeit bis dahin.“
Slàinte. (Spoiler: Nein, es wird vorerst keinen eigenen Fitness-Whisky-Blog. Noch nicht.)
Wo kann man reinhören?
Na überall, wo’s Podcasts gibt. Hier gibt’s direkt eine Übersicht:
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