Sebastian Büssing aka The Spirits Alchemist hat wieder etwas aus dem alchemistischen Zauberfeuer geholt, was der Menschheit als Allheilmittel dienen soll. Mineralische, pflanzliche und animalische Ausgangsstoffe kommen zum Einsatz und werden im Sinne einer Meta-Chemie zu neuen Stoffen transmutiert. Die mineralischen Stoffe erleiden durch Zerstückelung, Verbrennung und Behandlung all die Wandlungsqualen wie der zur Erlösung und Wandlung bestimmte Mensch. Das Panaceum soll als Allheilmittel die Menschheit von heimtückischen Krankheiten heilen.
Der Ausgangsstoff wurde in einer geheimen, deutschen Brennerei destilliert und in einem Fass von Weinbrand aus dem französischen Arrondissement Cognac weiteren Höllenqualen ausgesetzt. Diabolische 62,2% Alkohol mögen jegliche Seuche im Keime ersticken.
Eine weiteres Panazee hat der Wandersmann aus drei Teilen des Okzidentes zusammengetragen. Aus je einer Brennerei der Länder Teutonien, Caledonia und dem Konungariket Sverige hat der Ambassador Lebenswässer auserwählt, um sie in einem Eichenfass mit den verschiedenen Edukten des Negroni zu vergeistigen. Dieser Trunk wird nur in kleineren Glasgefäßen gereicht und darf auch nicht hochkonzentriert eingenommen werden. Lediglich 44,7% Alkoholgehalt genügen, um die vollkommene Heilkraft zu entfalten.
Zur Erzeugung der pflanzlichen Stoffe betreibt der Alchemist einen eigenen Fruchtgarten in den Lowlands. Die heilenden Kräfte der Obstgärten von Danone und Gervais verhinderten, dass den Menschen nach einer schweren Zwischenmahlzeit und mit Grummeln im Magen der Boden wegbricht und sie in einem Loch verschwanden. Gebrannt in einer geheimnisvollen Brennerei der Lowlands, vereint der Orchard die Kraft der Fässer des Trester- und des Fruchtbrandes in sich, um mit toxischen 60,3% Alkohol den Menschen die nötige Gesundheit für einen Spaziergang durch die Fruchtgärten zu ermöglichen.
Ich habe die Wirkung der drei Heilmittel auf Nase, Gaumen und Rachen für euch überprüft und möchte euch meine Notizen dazu nun unterbreiten.
The Ambassador’s Cask Selection
Der Blended Malt enthält Whiskys aus Destillerien in Deutschland, Schottland und Schweden und wurde zunächst vollständig in Bourbon Casks gereift. Anschließend erhielt der Blend ein Finish in einem Eichenfass, welches zuvor mit Negroni belegt wurde. Tatsächlich musste ich Negroni erst einmal googlen, habe ich ihn zunächst für einen Rum gehalten. Denn der Negroni ist ein italienischer, bitter-süßer Cocktail, der gerne zum Aperitif gereicht wird, und im Grundrezept zu gleichen Teilen aus Gin, rotem Wermut und Campari besteht.
Damit ein Fass zu belegen und anschließend Whisky hineinzutun – da muss man erstmal drauf kommen. Und sich sowas trauen. Eine Variante des Negronis, bei der statt Gin Schaumwein verwendet wird, nennt sich Negroni sbagliato. „Sbagliato“ bedeutet so viel wie „vermasselt“, da die Geschichte besagt, dass ein Barkeeper wohl aus Versehen den Schaumwein statt des Gins in den Drink gab und damit unfreiwillig diesen Cocktail erfand. Ob Sebastian auch diesen Whisky vermasselt hat, probieren wir nun.
Nase / Geruch, Aroma:
Die Nase entdeckt in dem goldenen Tropfen zunächst die typischen Aromen eines bourbonfassgereiften Whiskys, nämlich Vanille, Zitrusfrüchte und Honig. Ich hatte aufgrund des Finishs mit exotischeren Aromen gerechnet. Etwas bitter-süße Aromen und leichte Kräuter kann ich dann aber doch finden. Da ich vor kurzem erst ein kleines Gin-Tasting mitgemacht habe und mich überhaupt zum ersten Mal intensiver mit Gin auseinandergesetzt habe, meine ich sogar etwas Wacholder in der Nase zu entdecken. Ansonsten bleibt der Whisky süß und mild – und macht Appetit darauf ihn zu probieren. Wozu ein Aperitif halt so da ist.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz:
Auf der Zunge tritt er zunächst süßlich an, entfaltet dann aber auch bittere, angenehm bittere Aromen im Mundraum. Orangen- und Zitronenzesten spielen mit, sowie Honig und Vanille. Mehr als der Einfluss des Negroni-Fasses beeindruckt mich aber das harmonische Zusammenspiel der Whiskys aus drei Ländern. Wer Sebastian kennt und weiß welche Destillerien er als Botschafter vertritt (bzw. vertreten hat), kann erraten, welche Whiskys hier miteinander verblendet wurden. Und diese Kombination passt meines Erachtens richtig gut. Alle drei stehen für gute Qualität und bringen ihre Stärken in diesen Blend ein. Der Alkoholgehalt passt gut, da ist nichts wässrig und nichts brennt.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang:
Der Nachklang ist geprägt von fein würzigen und herben Aromen. Mittellang und angenehm zu Rachen und Speiseröhre.
Fazit: Ein schöner, harmonischer Blended Malt mit Whiskys aus 3 Ländern. Gab es sowas schon? So nicht. Zumindest nicht mit Malts der 3 Länder Deutschland, Schweden und Schottland. Mir fällt da spontan nur ein Beispiel ein: Beam Suntory hat mit dem Ao World Blend und Whiskys der konzerneigenen Brennereien aus Schottland, den USA, Kanada, Irland und Japan den Gedanken bereits aufgegriffen. Die Idee dahinter, die besten Charaktereigenschaften aller Länder miteinander zu vermählen, hat Sebastian mit seiner Ambassador’s Cask Selection toll umgesetzt. Die drei Malts fügen sich wunderbar zusammen und ergänzen sich. Von mir gibt es ein eindeutiges „Gefällt mir“!
Lowland Orchard
Grappa ist ein fassgereifter Tresterbrand aus Italien und wird mit einem Mindestalkoholgehalt von 37,5% abgefüllt. Er darf nicht nur in Eichenfässern, sondern zum Beispiel auch in Kirschholz- oder Kastanienfässern reifen, welche dem Spirit unterschiedliche Farben als auch Aromen, von süß bis würzig, mitgeben. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal Grappa bei seinem Lieblingsitaliener nach dem Essen gereicht bekommen. Wer richtig guten Grappa probieren möchte, sollte sich im nächsten Italienurlaub in Südtirol oder rund um den Gardasee umschauen.
Grappa aus dem Whiskyfass habe ich dort schon probiert, Whisky aus einem Grappafass ist mir hingegen noch nicht untergelaufen. Sebastian hat sich auch hier ran gewagt und Whisky aus einer nicht genannten Lowland-Brennerei nach der Reifung in First Fill Bourbon Casks noch für 11 Monate zum Finish, nicht nur in ein Grappafass, sondern auch in ein sogenanntes „Fruit Brandy Cuvée Cask“ gegeben. Obstbrände aller Art findet man auch in Südtirol, aber auch in Österreich und Deutschland in hervorragender Qualität. Ich bin gespannt, wie sich Trester und Früchte im Whisky widerspiegeln.
Nase / Geruch, Aroma:
Hui, die Nase ist ab dem ersten Riecher ziemlich voluminös, kein Wunder bei einem Alkoholgehalt von knapp über 60%. Auch hier sind die Aromen der Bourbonfassreifung nicht durch das Finish verloren gegangen. Honig, Vanille und Puderzucker, sowie saftige Orangen finden sich. Der bernsteinfarbene Whisky erinnert die Riechzellen an reife und teils vergorene Früchte und süße Weinaromen.
Ein ordentlicher Schuss Wasser öffnet weitere Aromen einer Streuobstwiese und man ist versucht, wie Eva im Paradies zu sündigen und sich der low hanging fruits zu bedienen. Also, probieren wir!
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz:
Der Antritt ist wirklich ordentlich kräftig und fruchtig, allerdings ob der Alkoholstärke gut pur genießbar. Das sich sodann ausfüllende Mundgefühl erinnert mich wirklich an einen schönen, dunklen, fassgereiften Grappa, wie zum Beispiel den Grappa Nonino, den es auf Basis von Trester verschiedener Rebsorten wie Merlot oder Moscato gibt. Wer bei einem aus den Lowlands stammenden Whisky etwas mildes erwartet hat, wird hier enttäuscht.
Auch im Geschmack verträgt der Orchard einen ordentlichen Schluck Wasser. Die Aromen von Most, Traubenschalen und Früchten werden deutlich verstärkt und drängen sich nun sogar ganz leicht vor die Bourboncask-Aromatik.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang:
Der mittellange Abgang erinnert sehr an den Nachklang von Weintrauben mit Kernen und festerer Schale. Also im Prinzip auch das, was nach dem Keltern an Trester übrig bleibt und aus dem Grappa gebrannt wird. Besonders nach Zugabe von Wasser deutet sich dieses trockene Mundgefühl an. Mir gefällt das!
Fazit: Auch hier zeigt sich das Finish erstmal nicht zu omnipräsent und besonders erst nach Zugabe von Wasser, wovon dieser Whisky eine ordentliche Portion verträgt. Er wird seiner Namensgebung, dem Fruchtkorb, absolut gerecht. Gefällt mir!
The Panaceum
Whisky aus Cognacfässern kennt man mittlerweile schon, wenn auch eher selten. Rye Whisky genauso. Dieser Roggenwhisky stammt aus einer deutschen Destillerie, wurde ebenfalls in Bourbon Casks gereift, anschließend für 10 Monate in einem Cognac Cask gefinished und mit kräftigen 62,2% in die Flasche gefüllt. Mit dem Cognac haben wir es in diesem Artikel schon bereits mit der 7. Spirituosenart, neben dem Whisky, zu tun. Cognac ist ein französischer Weinbrand, der aus dem gleichnamigen Erzeugungsgebiet stammt.
Über Cognac allein ließe sich wahrscheinlich auch ein eigener Blog betreiben. Denn die Vielfalt ist auch hier groß und komplex. Die Geschichte des Cognacs, verschiedene Rebsorten, Ausbaustufen, Fassreifungen und Klassifizierungen sind ein überaus spannendes Feld. In den 60er und 70er Jahren hatte der Cognac weltweit eine vergleichbare Popularität, wie es zurzeit der Whisky hat, den man damals meist nur in der Form des Massenblends konsumiert hat. Single Malt war ein Nischenprodukt für Kenner. Heutzutage hat sich das Blatt gedreht. Cognac ist immer noch beliebt und in fast jedem Restaurant zu bekommen, allerdings meist nur unter ferner liefen.
Was kommt dabei heraus, wenn man beide Welten miteinander vereint? Und das mit einem deutschen Roggenwhisky?
Nase / Geruch, Aroma:
Deutlich würzige und leicht medizinisch Gerüche steigen in die Nase, es soll ja auch ein Allheilmittel, das Panazee sein. Süße finde ich höchstens in Form von dunklem Kandiszucker. Ich versuche es direkt mit ein paar Tropfen Wasser und finde mich sodann an einem Knethaken mit frischem Sauerteig wieder. Auch etwas das mich tatsächlich an einen Weinbrand erinnert, entdecke ich nun. Etwas Pfeffer und dunkle Schokolade. Die Bourboncasks, in denen auch dieser Roggenwhisky zuvor reifte, spielen hier aromatisch nur eine untergeordnete Rolle und deuten sich mit leichter Vanille im Hintergrund an. Was erwartet mein Gaumen?
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz:
Das Panaceum bietet von den drei alchemistischen Neuigkeiten mit Abstand von Anfang an die ungewöhnlichsten Geschmacksaromen. Der hohe Alkoholgehalt fordert auch hier die Zunge kräftig heraus, bietet aber die volle Fracht Roggenbrot und Getreideschrot. Mit Zugabe von Wasser wird er wesentlich zugänglicher, sogar leicht süß. Ein Roggen-Früchtebrot mit getrockneten Feigen, trotzdem noch deutlich würzig. Pfeffer, dunkle Schokolade und einige Röstaromen. Nach ein paar Schlücken habe ich mich wirklich auf diese leicht ungewohnte Geschmackswelt eingelassen und finde das wirklich besser als nur trinkbar!
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang:
Der Abgang ist dann doch überraschend lang und süß, gar nicht mehr so würzig, wie ich das zu Beginn vermutet hätte. Dabei bleibt etwas leicht alkoholisches, medizinisches wie Desinfektionsmittel, was man auch dem ein oder anderen Standard-Cognac wie Hennessy oder Remy Martin nachsagt. Alles Heilmittel halt. 🙂
Fazit: Mit Sicherheit das außergewöhnlichste Erlebnis unter den drei neuen Abfüllungen. Aber wenn man sich darauf einlassen kann, eine spannende Sache! Der gern gemachte Vergleich mit dem schottischen Single Malt fällt schwer und ist auch nicht zielführend. Hier ist mit einem deutschen Whisky, auch noch einem Ryewhisky, etwas ganz neues entstanden, mit dem man sich wirklich anfreunden kann – bei dem es sich mindestens lohnt, es mal probiert zu haben!
Übrigens habe ich 15 Minuten nach dem letzten Schluck, während ich diesen Artikel fertig tippe, noch die nachklingenden Aromen des Panaceums am Gaumen. Unheimlich intensiv, der wird seine Liebhaber finden!
Alle drei Abfüllungen sind spannende Experimente, wieder gekonnt zusammengefügt vom Alchemisten. Nicht ganz so experimentell und Aroma lastig wie bei Sebastians weihnachtlichem Whiskytriple. Dafür ausgewogener und mit Finishes die auf ihre spezielle Art den Whisky unterstützen und nicht überfrachten.
Vielen Dank, Sebastian, dass ich wieder vorab verkosten durfte! Das hat wieder viel Spaß gemacht!
Info: Die Abfüllungen sind ab dem 15.03. erhältlich.
The Ambassador's Cask Selection Blended Malt Whisky mit Negroni Finish
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Der Lowland Orchard Whisky von The Spirits Alchemist im Test
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