Es gibt mal wieder ein neues Buch über Whisky. Eigentlich eben nichts mehr wirklich neues. Dazu geschieht das in zu großer Regelmäßigkeit. Aber! Aber, was? Nun, es beleuchtet erstmals eine Schnittmenge, der sich die deutschsprachige schreibende Zunft bisher wohl noch nicht gewidmet hat. Welche ist das? Whisky und Rockmusik.
Der Hölle Glocken
Und das ist dann doch ganz interessant. Unzweifelhaft, die beiden passen gut zusammen. Und, bei einer Sache bin ich sicher: manchmal kann man die Road to hell, von der Bruce Dickenson singt, riechen, wenn sich Lagavulin, Laphroaig, Ardbeg oder Octomore in den Gläsern findet. Und gelegentlich kann man der Hölle Glocken läuten schmecken, wenn AC/DC zu Caol Ila, Bunnahabhain, Kilchoman oder Ballechin abgehen.
Whisky mit allen Sinnen
Kurzum: Whisky ist ein sinnesphysiologisch multimodales Ereignis. Whisky kann man sehen, riechen, schmecken, fühlen und, genau dabei hilft Whisky Rocks, auch hören. Wer Whisky gerne mit allen Sinnen erleben möchte, dem empfehle ich die Lektüre von Whisky Rocks. Autor Kai Kellermann gelingt es eindrucksvoll, Genuss vielsinnig darzustellen.
Offenheit
Besonders sagt mir die Offenheit zu, mit der Kai an die Whiskys und Whiskeys geht. Single Malts, Blended Malts, Single Grains, Bourbons, Irish Pot Still Whiskeys, Blended Whiskys, Rye Whiskeys, ein Corn Spirit – nichts bleibt unverkostet auf den 145 Seiten des Buches. Wir begleiten den Verfasser sensorisch nach Schottland, Irland, Deutschland, Japan, nach Kanada, in die USA, nach Australien, Frankreich, Schweden, Taiwan, England, Südafrika, Indien, Israel, Tschechien, Island, Norwegen, in die Niederlande oder beispielsweise nach Österreich. Und das ist nicht alles.
Enthusiasmus
Mit einem sehr deutlich spürbaren Enthusiasmus widmet sich Kai den 115 Abfüllungen, die er in den insgesamt 22 Tastings vorstellt. Und immer wird eine Brücke zwischen dem Lebenswasser und der Rockmusik geschlagen. Manchmal individualbiographisch, gelegentlich historisch, hin und wieder sensorisch und ab und zu über Marketing Aspekte, Zu allen Verkostungen gibt es eine selbst gestaltete Playlist.
Mehr als Band Whiskys
Und damit geht Kai weit über die reine Vorstellung von Band Whiskys hinaus. Nicht nur Metallica, Motörhead, Scorpions, Bob Dylan, Judas Priest oder The Pogues. Nein, auch bei der Auswahl der Stücke für die Playlists steht am Ende eine ganz schöne Bandbreite. Metal in allen Variationen, Glam Rock, Folk, Southern Rock, ein bisschen Punk, ein wenig Pop. Alles, was das Herz begehrt.
Whisky und Rockmusik
Der Whisky und die Rockmusik gehen in „Whisky Rocks“ eine sehr segensreiche Symbiose ein. Um so mehr, als dass diese nicht nur akkustisch, olfaktorisch und gustatorish abgeschmeckt wird, sondern auch mit einem scharfen Blick für das Detail gewürzt ist. Flaschen, Etiketten, Tuben, Boxen und Verpackungen mit Totenköpfen, Särgen, Gitarrenverstärkern, Tattoos, Wikingern, Äxten, Schildern, Hämmern, Kriegerinnen, Göttern, Teufeln, Biestern, Totengräbern, Boxern, Schiffen, Helden, Motorrädern oder Gitarren – man kann das Metal Lederband am Handgelenk förmlich spüren.
Informationen
Aber, „Whisky Rocks“ ist nicht nur ein kurzweiliges Lesevergnügen. Es ist auch voller Informationen. Fach- und Grundwissen über das Lebenswasser wird nebenbei vermittelt. Freilich, der informierte Nerd wird hier nichts bahnbrechend neues erfahren. Und, freilich ist das Buch auch nicht als wissensvermittelndes Standardwerk angelegt. Doch gerade niedrigdosiert entfalten die eingestreuten Aspekte eine nicht geringe informative Wirkung. Sei es mal über Regularien. Sei es mal über Fässer.
Die Dosis macht das Gift
Die Dosis macht das Gift. Und das Medikament. Was mir außerordenltich gut an „Whisky Rocks“ gefällt, ist die dem Buch eigene Mischung. Whisky, Musik, Information, Geschichte, Legende, Story – alles dabei. Und, eben weil so viel unterschiedliches kunstvoll zu einem ganzen verwoben ist, ist nichts davon für sich überdosiert.
Die Whiskys und Whiske
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Wie erwähnt geht Kai offen und vielfältig an das Thema Whisky und Whiskey. Und, er bleibt dabei überwiegend im bezahlbaren Bereich. Wir finden kaum die Verkostung unbezahlbarer Sonderabfüllungen. Hingegen in epischer Breite das Spektrum gut erhältlicher Tropfen. Insgesamt macht „Whisky Rocks“ ein sehr niedrigschwelliges Angebot an den Leser.
Eine niedrige Schwelle
Und, das ist ausschließlich positiv gemeint. Man muss eben weder ein absoluter Whisky Nerd, noch ein Rockmusik Freak sein, um durch „Whisky Rocks“ gut unterhalten zu sein. Egal von welcher Seite man kommt, es ist eine niedrige Schwelle, die man überschreiten muss, damit einen das Werk in seinen Bann zieht.
Genügend Abfüllungen, Geschichten, Bands, Whiskys, Festivals und Songs
Umgekehrt ist ein fortgeschrittener Wissensstand in dem einen oder anderen Bereich überhaupt kein Problem. Es gibt wahrhaft genügend Abfüllungen, Geschichten, Bands, Whiskys, Festivals und Songs, die uns Kai näher bringt. Man wird auch als Nerd ganz sicher durch die Lektüre neues und bisher unbekanntes erfahren.
„Beasts of Bourbon“ und „Rye of the Tiger“
Dann wäre da noch die Frage nach dem Stil. Wie ist „Whisky Rocks“ geschrieben? Nun, ausdrucksstark, zielsicher, inspirierend, klar, verständlich oder abwechslungsreich. Das sind Begriffe, die einem bei der Beantwortung der Frage einfallen. Und, besonders sympathisch, mit Humor, Wortwitz und nicht selten einem gewissen Augenzwinkern. Doch es gefährdet die Ernsthaftigkeit des Anliegens nicht, wenn beispielsweise von den „Beasts of Bourbon“ oder dem „Rye of the Tiger“ die Rede ist.
Kreative Tasting Mottos
Ebenfalls gut gefallen haben mir die vielen, sehr kreativ gewählten Mottos der Verkostungen. Tierische Tastings kommen farbenfroh mit Pferden, Schafen, Mäusen, Hühnern und Affen daher. Derweil es beispielsweise düster bei den Whiskys rund um die Farbe Schwarz zugeht. Wir finden daneben durchaus vertraute Tasting Themen nach Regionen oder Whiskyarten.
Klänge schmecken und Aromen hören
Erfahren, fachkundig und begeistert führt der Whisky Enthusiast Kai Kellermann uns dabei zu Smokehead, Jameson, Starward, Jack Daniel’s, Highland Park, Johnnie Walker, Bruichladdich, Port Dundas, Aberlur, Jim Beam, Girvan, Talisker, Bulleit, John Paul, Invergordon oder Teeling. Dazu gibt es Dio, Rammstein, Grave Digger, Uriah Heep, Thin Lizzy, Iron Maiden, Saxon, Runrig, Skid Row, Gary Moore, Don MacLean, Hammerfall oder Slipknot auf die Ohren. Fast kann man die Klänge schmecken. Und die Aromen hören.
Der individuelle Geschmack
Ob man dem Autor nun an jeder Stelle sensorisch und in seiner Beurteilung der Güte der Aromen und Abfüllungen folgen kann, muss man letztlich selber herausfinden. Einen anderen Weg kann es da nicht geben. Jeder hat seinen individuellen Geschmack. Ich kann Kai an vielen Stellen zustimmen. Beispielsweise beim Arrran 10. An einigen aber hegt sich bei mir doch starker Widerspruch. Etwa beim Johnnie Walker Double Black oder beim Balvenie 12 Single Barrel.
Das sensorische Setup
Beschrieben werden die Whiskys in „Whisky Rocks“ im üblichen Jargon. Zum sensorischen Setup zählen unter anderem Süße, Apfel, Nuss, Eiche, Gewürze, Erde, grüner Tee und Ananas. Dazu Schärfe, Kuchen, Nugat, Vanille, Mango, Herbe, Zerealien, Aprikose und Medizin. Sowie Vanille, Minze, Schokolade, Bitterkeit, Honig, Kakao, Klebstoff oder Gras. Und Cookies, Espresso, Karamell, Röstaromen, Zucker, Kaffee, Popcorn, Rauch oder Zitursfrüchte.
Weitere Aromen
Ferner Leder, Menthol, Pfeffer, Pfirsich, Kräuter, Trockenfrüchte, Kokusnuss, tropische Früchte, Spekulatius und Datteln. Weiter Birne, Heu, Würze, Mineralien, Beeren, Trauben, Pflaumen, Marmelade, Harz oder Getreide. Letztlich beispielsweise Malz, Zimt, Blumen, Tabak und Holz. Das Rad konnte also auch Kai nicht neu erfinden. Aber das ist ja auch gar nicht notwendig, Schließlich suchen nicht wenige Whisky Genießer auch ein gewisses Maß an Vertrautheit.
Himmel und Hölle
Kai erzählt insgesamt das Mythische mythisch und das Sagenhafte sagenhaft in „Whisky Rocks“. Er gestaltet als Liebhaber ein Projekt für Liebhaber. Mit Heaven’s Door oder Heaven Hill wird es dabei himmlisch. Mit dem Jim Beam Devil’s Cut oder dem Lucifer’s Gold hingegen teuflisch. Und egal ob Himmel oder Hölle: in beiden Sphären wird ganz sicher Whisky getrunken. Und Rockmusik gehört.
Rat und Dank
Insofern kann ich nur dazu raten, sich mit der Lektüre von „Whisky Rocks“ auf das Jenseits oben oder unten vorzubereiten. Ohnehin macht das im Diesseits wirklich große Freude. Ich danke Kai für das Vorlegen dieses Werks. Und dafür, dass er mir ein Exemplar zur Rezension barrierefrei und kostenlos zur Verfügung gestellt hat.