Für uns wird ein gutes Whiskytasting vor allem von zwei wesentlichen Faktoren bestimmt. Erstens angenehme, freundliche und interessante Menschen. Zweitens gute, facettenreiche, durch Aroma, Geschmack und Abgang bestechende Whiskys. Beides wollten wir Whiskygraphen gemeinsam mit Klaus Postert realisieren. Bereits im letzten Jahr hatten wir vergeblich nach einem geeigneten Termin Ausschau gehalten, doch schließlich gelang die Umsetzung in diesem Jahr.
Genießen verbindet
So fand sich in Köln eine sehr bunte Mischung unterschiedlicher Persönlichkeiten mit deutlich divergierendem Kenntnis- und Erfahrungsstand in Bezug auf Whisky zusammen, darunter beispielsweise Psychologen, Händler, Informatiker, Handwerker, Physiotherapeuten, Hochschuldozenten, Tätowierer, Manager, Elektroingineure, Juristen, Banker oder Osteopathen. Whisky verbindet und genau diese Tatsache schätzen wir sehr. Besonders freuten wir uns über das Zusammenkommen mit dem Blogger-Kollegen Björn Bachirt, der Whiskydiaries betreibt, sowie über die sehr kurzfristige Zusage von Bernd Engels. Die Vielfalt sollte sich aber nicht nur in den Menschen, sondern auch in den Gläsern ausdrücken. Hier einige Eindrücke zu den Abfüllungen, die das Thema „Whiskys in Fassstärke“ fokussieren sollten.
Fassstarkes Linup
Der Einsteiger, der es bekanntlich immer etwas schwer hat, da er Geist und Gaumen auf das bevorstehende Line-Up einstimmen soll, aber auch selbst noch gut dastehen will, war ein 11-jähriger Deanston aus der Un-Chillfiltered Collection von Signatory Vintage. Abgefüllt aus einem First Fill Sherry Butt und mit 46% Trinkstärke genau die richtige Power zum Wachwerden für die anstehenden Aufgaben. In der Nase würzig, mit einer kleinen, für einige Deanstons typischen Klebstoffnote zu Beginn, die aber nach ein paar Minuten verflogen war. Dazu etwas Heide und süßer Honig, was uns über den Geschmack von Heidehonig philosophieren ließ und die Frage aufwarf, wer diesen denn überhaupt schon mal probiert hatte.
Im Mund begrüßte uns der Deanston mit einem ordentlichen Antritt der sogleich einer angenehmen Süffigkeit wich, die auch dezente Noten von Schokolade und Karamell mitbringen konnte. Sanft und cremig umspült der die Zunge, der Abgang ist mittellang. Auftakt gelungen.
Die Überraschung
Um es vorweg zu nehmen, der zweite Whisky war eine echte Überraschung. Ein 28-jähriger Caledonian Single Grain Baujahr 1987 aus dem Bourbonfass mit 52,6% Fassstärke von Kirsch Whisky abgefüllt. Im Glas schimmert er wie ein heller Weißwein, die Nase erinnert sich einstimmig an gezuckerte Ananas und Kokosnuss. Das Eichenholz ist sehr dezent, was man, genau wie die Farbgebung bei einem Alter von 28 Jahren nicht unbedingt erwartet. Dafür umschmeichelt eine vanillige Süße die Nase. Im Geschmack geht das genauso weiter, die Erinnerung an Kokoswasser ist sofort da, Banane, süße Früchte und immer noch relativ wenig Eiche. Der Grain wandert ölig die Speiseröhre hinunter und hält einen etwas mehr als mittellangen Abgang. Absolut interessant und da Caledonian eine der “Lost distillerys” ist auch eine kleine Rarität, die Distille wurde 1988 stillgelegt.
Das Jubiläum
Im dritten Durchgang wurde es persönlich. Klaus Postert servierte uns einen 10-jährigen Aultmore von dem er sich zum 1-jährigen Jubiläum seines Ladens ein paar Flaschen aus einer Fassteilung gesichert hat. Der gute Tropfen wurde mit 55,6% aus einem Ex-Bourbonfass abgefüllt, präsentiert sich unseren Nasen süß und fruchtig und erinnerte an einen Williamsbirnenbrand. Auffällig war, dass kaum Alkohol zu spüren war. Überraschend dann der schöne Antritt im Mund, voluminös aber für die Alkoholstärke doch sanft und süß. Cremig und ölig umspült er Gaumen und Zunge. Wir waren uns einig, dass dies ein toller Sommerwhisky mit Abgang ist.
An dieser Stelle ist nicht nur die zur Pause gereichte, hausgemachte Käse-Lauch-Suppe zur Stärkung lobend zu erwähnen, sondern auch die musikalische Begleitung zu jedem Whisky. Der Prinz spielte uns eigene Variationen schottischer Volkslieder auf der Klampfe vor – eine tolle Stimmung! Das einladende Ambiente des Ladens, die ausnahmslos sympathischen Gäste, die zusätzliche Gaumenfreude der Suppe, von der gleich mehrere Teilnehmer des Tastings vergeblich versucht haben ein Sample zu bekommen, die musikalische Begleitung durch den Prinz, der bei dem Stück „Glen of Rothes“ von einem Gast spontan tatkräftig im Gesang (Melodie Bed of Roses von Bon Jovi) unterstütz worden ist und natürlich auch die treffsicher ausgewählten Whiskys hoher Güte vermischten sich zu einer durch und durch gelungenen Sinnesfreude.
Ein Standard?
Weiter ging es mit einem Whisky, den viele wahrscheinlich eher mit Masse in Verbindung bringen würden, aber auch eben mit hoher Qualität: Ein Glenlivet. In diesem Fall eine Flasche aus der Nadurra-Reihe, Oloroso-Sherryfass, abgefüllt mit 60,3% und ohne Altersangabe. Kurios ist, dass zwar angegeben wird, wann der Whisky abgefüllt wurde, in diesem Fall im Juni 2015, aber nicht wann der gute Stoff destilliert wurde. Hilft nicht weiter, tut dem Inhalt aber keinen Abbruch. Denn in der Nase weiß er direkt zu gefallen: Kräftig, würzig mit Orange und, wie uns ein ehemaliger Gewürzhändler in der Runde zu verstehen gibt, nach Bergamotte, eine Hybride aus süßer Limette und Bitterorange, die nicht als Obst verwendet sondern, aufgrund der enthaltenen ätherischen Öle, für die Parfümindustrie angebaut wird. Dazu gesellen sich Tabak, dunkle Schokolade und der Geruch eines alten Ledersofas. Im Geschmack bestätigt sich der Geruchseindruck, Orangen und das Sherryfass mit seinen dunklen Beeren und Eichenaromen ist präsent. Dazu Kardamom und Anis. Ölig im Mundgefühl und nachhaltig im Abgang. Keine Rarität, aber einfach große Klasse.
Der Trendige
Und schon wurde der nächste Dram ausgeschenkt. Ein 9-jähriger Hazelburn, der die letzten 3 Jahre seiner Reifezeit in Refill-Barolo-Fässern verbracht hat. Klingt verlockend, Rotweinfinishes sind derzeit sehr begehrt. Die 57,9% kitzeln bereits die Nase mit Aromen von Zitrusfrüchten, Zitronenmelisse, etwas grasig und nach diversen Kräutern. Aber wo ist der Rotwein? Probieren wir! Ölig und trocken im Mund schmeckt man Wacholder, Eichenholz, erneut Zitrusfrüchte, Heu und Stroh, fühlt sich wie auf einem Bauernhof. Aber Rotwein? Fehlanzeige! Man neigt dazu bei Rotweinfinishes schwere, dunkle und komplexe Whiskys zu erwarten. Aber Weissweinfarbe gibt schon einen ersten Hinweis, dass diesem Fass eher andere Aromen zu entlocken waren. Interessant und trotzdem lecker!
Die Premiere
Nach 5 Whiskys in Fassstärke wird die Zunge langsam locker und wir durften uns auf eine weitere Premiere freuen: Einen Longmorn, abgefüllt von McCrae’s im Alter von 19 Jahren mit 53,6% aus einem Bourbonfass. Einen Longmorn hatten wir alle noch nicht im Glas, daher war die Spannung groß. In der Nase mit Zitrus- und Eichennoten, aber auch ganz deutlich nach einem saftigen und grünen Apfel. Nach ein paar Minuten im Glas würziger und es entfaltete sich noch mehr Eichenaroma. Der erste Schluck bestätigte bereits das Apfelaroma, vermengt mit einer gewissen Pfeffrigkeit und süßem Karamell erinnert er uns an einen Calvados. Da wir Calvados mögen, wie auch die dem Longmorn innewohnende Komplexität, mochten wir auch diesen Whisky.
Ein Blend zum Abschluss
In den Zieleinlauf ging es mit einem Blended Whisky. Aber gut zugehört: Dieses ist ein sogenannter tea-spooned Whisky und stammt aus der Brennerei Glenfiddich, die zwar auch für große Mengen Whisky, aber ebenso für hohe Qualität bekannt ist. Eine Einzelfassabfüllung von dort ist uns bisher auch noch nicht untergekommen. Vertrieben wird dieser Teaspoon-Whisky von Anam na h-Alba unter dem Namen Wardhead Vintage 1997. Abgefüllt aus einem Bourbon Hogshead mit 53,9% im Alter von 20 Jahren. In der Nase Birne mit etwas frischem Zimt, eine leichte Alkoholnote schwingt mit hoch. Zudem gesellen sich eine angenehme Honig- und Vanillenote hinzu, die sich ausgewogen im Hintergrund einfinden. Nun bemerkt man auch unsere schon gesuchte Eichenote.
Geschmacklich erinnert er an Mohnkuchen und hat florale Aromen, jemand wirft den Begriff “Veilchenpastillen” in die Runde. Er prickelt auf der Zunge, dies aber angenehm. Waldhonig und Vanille stellen sich ein und benetzten angenehm den Mundraum. Seine Textur ist fein cremig. Der Alkohol ist hier gut eingebunden. Am Ende bilden wir uns ein noch Aromen von Waldboden und Moos wahrgenommen zu haben. Angenehm wärmend geht der Whisky die Kehle hinunter, macht dabei den mittellangen Abgang aus und bringt die wunderbare Süße von Vanille und Honig, gepaart mit der feinen Schärfe schwarzen Pfeffers in den Vordergrund.
Nach den interessanten Geschmackserfahrungen des Tastings kommen wir noch in den Genuss des ein oder anderen Drams, ein kleines Open-Bottle-Nachspiel nimmt seinen Lauf. Ein gelungener Abend, der uns um einige Whiskyerfahrungen reicher gemacht hat. Wir Whiskygraphen kommen wieder.
Tasting bei Klaus Postert: Deanston 11 Signatory Vintage 2006 – 2018, Caledonian 28 1987 – 2016, Aultmore 10 Single Cask abgefüllt für Postert-Whisky, Glenlivet Nadurra Oloroso 2016, Hazelburn 9 Barolo 2007 – 2016, Longmorn 19 McCray, Wardhead Vintage 1997 Anam na H-Alba 20
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