Vor kurzem hatten wir Whiskygraphen das Vergnügen und die Gelegenheit an einer Fortbildungsmaßnahme der besonderen Art teilzunehmen.
Julia Nourney, die Initiatorin des C2C Spirit Cups und geschätzte Spirituosen-Fachfrau, war bei uns zu Gast, um uns in die Kunst der Whisky-Juroren einzuführen.
Beim C2C (Consumer to Consumer) Spirits Cup verkosten interessierte Verbraucher (keine Profis!) verschiedene Spirituosen unter professionellen Bedingungen für andere Verbraucher. Da die Verkostung „blind“ erfolgt, fließen nur die jeweiligen Geschmäcker der Jury-Mitglieder ein, ohne Beeinflussung durch Marketing oder Verpackung. In Zeiten wo eben diese Faktoren leider immer mehr an Bedeutung zu gewinnen scheinen – wie wir finden – eine äußerst angenehm ehrliche Art der „neutralen“ Beurteilung.
Unter Julias Anleitung durften wir insgesamt 23 Whiskys blind verkosten und bewerten. Klingt schwierig? Ist es auch! Aber der Reihe nach:
Vorbereitung
Damit das Ganze nicht in ein riesiges Besäufnis ausartete, lernten wir als erstes, wie man die Proben im Mund analysiert und anschließend fachgerecht ausspuckt. Auch wenn wir auf der ein oder anderen Messe bestimmt schon einmal 23 Drams verkostet haben, wäre dies hier für eine ordentliche Beurteilung der verschiedenen Destillate kontraproduktiv gewesen. Dann ging es endlich los. Nach einem ausgeklügelten System mit unterschiedlichen Zahlencodes für jeden Whisky arbeiteten wir uns durch die teils doch sehr unterschiedlichen Proben. Damit wir uns nicht untereinander beeinflussen konnten, wurden wir zusätzlich in verschiedene Gruppen aufgeteilt, die alle die gleichen Proben, aber in unterschiedlicher Reihenfolge verkosteten. Um es fair zu halten, wurden 9 verschiedene Durchgänge (sogenannte „Flights“) gebildet, wobei jeder Flight vergleichbare Proben aus festgelegten Produktgruppen enthielt (also z. B. 3 Proben aus der Speyside oder 2 Proben Rye). Die einzige Information, die wir zu den jeweiligen Flights erhielten, war der grobe Alkoholgehalt (Trinkstärke [bis 46 %], erhöhte Trinkstärke [bis 51,9 %] und Fassstärke).
Da wir Whiskygraphen doch teilweise sehr unterschiedliche Vorlieben und Wahrnehmungen haben, schildern wir unsere jeweiligen Eindrücke nachfolgend separat:
Alexander
Weihnachten und Bescherung
Es war ein bisschen wie Weihnachten. Wir hatten in Mayen auf dem Marktplatz im Dajöh gut gegessen und uns bei dem ersten Bierchen des Abends in Stimmung gebracht. Dann warteten wir auf meinem Balkon darauf, bis Julia mit dem Aufbau fertig war. Es hätte nur noch ein Glöckchen gefehlt und es wäre exakt wie eine Bescherung gewesen.
Bewertungen
23 Whiskys & Whiskeys, die es zu bewerten gab. Blind, unvoreingenommen und in einem anderen Modus operandi, als wir ihn gewohnt sind von Whisky Tastings. Ein wenig wie bei Vergaben von Preisen und Medaillen für Spirituosen. Mit Ausspucken und nach Dimensionen, die nicht allein die subjektive Geschmackspräferenz fokussieren, sondern auch, primär und sekundär, Fehlnoten und die Frage, wie er wohl am Markt ankommen würde.
Eine stille Zahl
Und dann eben keine Beschreibung von Aromen, keine Differenzierung von Nase, Mund und Abgang oder Nachklang, zumindestens nicht expressis verbis. Dann auch noch ohne Unterhaltung, ohne Kommunikation, ohne gegenseitige Beeinflussung bei der Bewertung. Eine stille Zahl pro Whisky.
Geschmacks-Probe
Also eine gute Gelegenheit seinen Geschmack auf die Probe zu stellen, sich etwas besser kennenzulernen. Was mag man denn wirklich, wenn man ohne die Beeinflussung anderer Meinungen und ohne Marketing-Einfluss an einen Whisky geht?
Schlucken oder nicht?
Sehr interessant war für mich die Erfahrung, Whisky bei der Verkostung auszuspucken. Klar ist, dass dies bei Degustationen zwecks Prämierung üblich ist, aber doch ist es rein physiologisch betrachtet ein erheblicher Unterschied zu dem Genuss inklusive Schlucken. Jener fällt allerdings im Erlebnis wesentlich geringer aus, als ich dies vermutet hätte.
Meine Bewertungen
Insgesamt habe ich auf der Skala von 1 bis 10 eher im unteren Bereich bewertet. Während die 9 und 10 gar nicht von mir vergeben worden sind, gab es demgegenüber doch eine Reihe von 1ern und 2ern. Einen Minusbereich hätte ich gerne für den Neutralalkohol gehabt, den uns Julia untergeschoben hat. Während der Verkostung bemerkte ich bereits mit vollkommen entgleisten Gesichtszügen, dass dies ein Superlativ war, also der tatsächlich schlechteste Whisky, den ich je getrunken hätte. Nur war es eben keiner, wie sich später herausstellen sollte.
Meine Flops
Ebenfalls mit 1 wurden von mir die 2 Roggenwhiskys eines Flights bewertet. Auch unverblindet nicht mein Ding. Sicherlich nicht schlecht gemacht und bei Menschen mit anderen Geschmackspräferenzen, beispielsweise in anderen Kulturkreisen, finden auch diese ihre Liebhaber.
Spannendes
Bei einem Whiskey konnte ich eine mir vollkommen unbekannte Aromatik ausmachen, die sehr extrem fruchtig war. Allerdings in einer Weise, wie ich sie noch nie vorher im Glas hatte. Es handelte sich um den Knappogue Castle 12 Jahre von 1995, dessen Hefe nicht mehr verwandt wird in Irland, weshalb auch die sehr ungewöhnliche, aber ansprechende Fruchtaromatik, die ich bei der Verkostung für so ausgeprägt gehalten habe, dass ich mir hier hätte vorstellen können, sie sei irgendwie künstlich erzeugt worden, meinem Gaumen und meiner Nase nicht mehr bekannt sein kann.
Meine Tops
2 Flights haben bei mir besonders gut abgeschnitten. Einmal die Whiskys aus der Speyside und einmal die schottischen Blends. Der Glenlivet 12 konnte erwartungsgemäß erfreuen und der Glenfiddich 12 schnitt bei mir doch besser ab, als ich es erwartet hätte. Umgekehrt kam der GlenAllachie 12 nicht ganz so gut weg.
Fazit
Insgesamt eine sehr interessante Erfahrung. Kann man nur jedem Whiskyliebhaber empfehlen. Und man kann auch ansatzweise erleben, dass die Verkostung in sehr großen Mengen, also von 50, 100 oder 150 Spirituosen an einem Tag, alles andere als eine reine Freude, sondern harte Arbeit ist.
Christian
Meine Bewertungen
Ob es an der Anzahl oder Qualität der Proben lag, dass ich den Großteil im Mittelfeld der Bewertungsskala eingeordnet habe, ist schwer zu sagen. Ich habe ein wenig den Verdacht, dass die Unterschiede zwischen den verkosteten Whisk(e)ys mit zunehmender Anzahl verschwimmen. Andererseits könnte es auch unserer derzeit überwiegenden Konzentration auf Single Casks bzw. Fassstärken geschuldet sein, dass uns „Standard-Whiskys“ nicht (mehr) extrem begeistern. So habe ich z. B. den „Speyside-Flight“ (Glenfiddich 12, GlenAllachie 12, Glenlivet 12 First Fill Bourbon) durchgehend mit einer 6 bewertet, was ja „guter Durchschnitt“ bedeutet. Dies sind alles Whiskys, die ich sehr gerne mag, aber in der Masse stechen sie nicht besonders heraus.
Meine Tops
Meine beiden Lieblings-Flights waren die Iren in Trinkstärke und die schottischen Blends. Mein persönliches Highlight und klarer Sieger des Abends war der Knappogue Castle 1995 mit der Höchstnote von 9 Punkten. Diese intensiven Fruchtaromen in der Nase waren für mich mit das Beste, was ich je im Glas hatte. Ich hätte den ganzen Abend an dem Glas schnuppern können. Mit jeweils 8 Punkten teilten sich der Bushmills 10 und der Blend „Black Bottle“ den zweiten Platz und lieferten damit den Beweis, dass ein leckerer Dram keineswegs teuer sein muss.
Meine Flops
Rauch und Rye sind bei mir an diesem Abend größtenteils durchgefallen. Dies kann aber entweder mit den sommerlichen Temperaturen oder mit meiner Tagesform zusammenhängen, da ich rauchige Whiskys sonst durchaus auch gerne mal trinke.
Fazit
Eine super Erfahrung und insgesamt wesentlich anstrengender, als ich es im Vorfeld erwartet hätte. Was ich jedoch erwartet hatte, waren Überraschungen, die Blind-Verkostungen nun einmal mit sich bringen. So z. B., dass ich als ehemaliger „Irland-Skeptiker“ gleich zwei Irish Whiskeys in meine Top 3 wähle. Interessant fand ich auch, dass wir uns – trotz unserer unterschiedlichen Geschmäcker – sowohl in der Spitze, als auch bei den „Flops“ relativ einig waren. Insgesamt hat das Blind-Tasting meine Wertschätzung für die oft belächelte oder sogar abwertend behandelte „Massenware“ erhöht, da sich gezeigt hat, dass gerade die Blends handwerklich gut gemacht sind, keine Fehlnoten beinhalten und mit einem sehr runden Geschmacksprofil ohne Ecken und Kanten ein solides Trinkerlebnis bieten.
Hagen
Meine Bewertungen
Sich bei einem Blind Tasting völlig zu blamieren, bin ich durch die regelmäßige Teilnahme an der „Blind Sample Challenge“ bei Peter Mosers Friends of Single Malt bereits gewöhnt. Bei der Zahl von 23 Whisk(e)ys war meine Hoffnung allerdings groß, vielleicht doch einen halbwegs richtigen Tipp abgeben zu können. Darum ging es aber dann gar nicht primär, wie uns Julia zur Einstimmung erklärte. Auf einer Skala von 1 bis 10 sollten wir die jeden einzelnen Whisky danach bewerten, wie er uns gefällt. Als grobe Orientierung sollten wir uns vorstellen können, ab ca. 6-7 Punkten eine Flasche des jeweiligen Whiskys zu kaufen. Genaue Tipps konnten wir natürlich trotzdem für uns abgeben. Dass ich den irischen Flight komplett für amerikanische Bourbons gehalten habe, Schwamm drüber. Zumindest die exotischsten Vertreter konnte ich doch irgendwie als exotisch enttarnen. Und meine Meinung über Standardwhiskys wurde ein Stück weit bestätigt.
Meine Tops
Die höchste Punktzahl habe ich mit 8 Punkten an den „unter 20 Euro Blend“ Black Bottle und den Smokehead Sherry Bomb vergeben. Überraschung? Für mich nur bedingt. Dass auch der simple Johnnie Walker Red Label von mir mit immerhin 6 Punkten bedacht wurde, schließe ich auf die Tatsache, dass unter anderem diese 3 erfrischende, einfache Whiskys in diesem sehr breiten Spektrum der verschiedensten Geschmäcker waren. Man muss wirklich zugeben, dass das wirklich ein hartes Stück Arbeit für Zunge und Gaumen ist. Auch der Glenfiddich 12 kam bei mir gut an. Was mich ebenfalls nicht überrascht hat. Diese Whiskys werden in der heutigen Whisky-Community gerne belächelt – oder man darf sagen – sogar lächerlich gemacht. Dabei sind das gut gemachte Whiskys, die einfach alles bieten, was ein Whisky bieten soll. Auch in Anbetracht des Preises wirklich mehr als nur gut trinkbar.
Auch die irischen Flights sind bei mir, obwohl ich sie in die USA einsortiert hatte, allesamt ganz gut weggekommen.
Meine Flops
Auch bei mir kam zumindest ein Roggenwhisky nicht so gut an. Beim deutschen Flight habe ich auf meinem Bewertungsbogen „komisch“ notiert. Aber so richtig schlecht war doch eigentlich nur der „Nicht-Whisky“.
Fazit
Vom Traumjob „Professioneller Whiskyverkoster“ bin ich nach dem harten Stück Arbeit etwas abgerückt, aber es war großartig und hat sehr viel Spaß gemacht. Blind-Tastings sind immer lehrreich und machen demütig. Ich fand es toll, dass wir alle im großen und ganzen einen recht guten Riecher hatten. Job done!
Stefan
Meine Bewertungen
Voller Vorfreude auf den Abend und mit einer Prise Respekt der Aufgabe wegen, bin ich in dieses Tasting gegangen. Endlich wieder mit Freunden genießen, aber sich trotzdem währenddessen nicht austauschen zu dürfen, war schon ein bisschen komisch, aber wir hatten alle trotzdem sehr viel Spaß!
Zudem teile ich die Meinung meiner Freunde, dass die Aufgabe als Whisk(e)y-Juror keine leichte ist. Die Schleimhäute im Mund werden aufgrund der Menge an Blinds doch ordentlich in Mitleidenschaft gezogen und es ist schon nicht leicht eine klare Linie in der Bewertung für sich und natürlich die Allgemeinheit herauszufinden.
Meine Tops
Ich habe an dem Abend 3x 8 Punkte vergeben. Zwei davon haben mich geschmacklich sehr überzeugt und einer aufgrund seiner extrem fruchtigen Nase. Dass dieser eventuell aus Irland stammen könnte, hatte ich mir bereits gedacht, aber dass mich die Iren so vereinnahmen, war für mich wirklich eine Überraschung. Der fruchtige Malt war der Knappogue Castle 12 (1995) mit der „alten“ Hefe und die beiden fassstarken Whiskeys Roe & Co CS (2019)/ Redbreast 12 CS.
Meine Flops
Bei den Flops waren wir eigentlich allesamt der gleichen Meinung, dass uns die beiden Rye-Whiskys eher abgeschreckt haben. Hier habe ich 3 Punkte vergeben.
Der allerletzte Flight war bei mir der rauchige Part und hier bin ich wiederum überrascht worden. Meine „Freunde“ hatten jede Menge Spaß dabei zuzusehen, dass ich eine meiner liebsten rauchigen Abfüllungen leider nur 2 Punkte gegeben habe und zwar dem PC Islay Barley 2011. Auch die beiden anderen rauchigen Vertreter wurden von mir nicht viel besser bewertet.
Ich könnte mich jetzt rausreden, habe ich auch danach versucht, aber es hat an dem Abend auch keiner mehr hören wollen…
Dafür habe ich dem Gewinner des Whiskygraphie-C2C Spirit Cups, der Black Bottle, nur 4 Punkte gegeben. Nun gut, ich will nicht nachtreten! 😉
Fazit
Es war ein sehr gelungener Abend voller Überraschungen! Vielen Dank an Julia für die Bemühungen, wir stehen jederzeit für neue „Experimente“ zur Verfügung!
Patrick
Die Bewertungen der immerhin 23 Proben gestalteten sich gar nicht so einfach wie man glauben mag. Eine echte Herausforderung und ein hartes Stück Arbeit. Auch mental verlangt so eine Verkostung einem einiges ab. Beim Einstieg fiel es mir besonders schwer in die Bewertung hineinzufinden. Mit wie vielen Punkten bewertet man seinen ersten Flight, wenn dieser auch noch Whiskys beinhaltet, die einem so gar nicht zusagen? Ganz schön verhext! Also, ab ins Glas und los ging die Verkostung mit den ersten 3 Whiskys. Wie sich später herausstellte, war einer der Probanden einfach nur Alkohol mit Holzchips in Flaschenreifung. Oh jehhhh. Dafür gab es von meiner Seite 4 Punkte. Wie gesagt, gar keine so einfache Aufgabe. Da hatte mich Julia im ersten Flight schon sehr überrascht.
Meine Tops
„Typischer Whisky so wie er sein soll“ diese Notiz konnte man beim Johnny Walker Red Label, mit 8 Punkten bewertet, auf meinem Notizbogen wiederfinden. Rückblickend ist dies vielleicht der Tatsache geschuldet, dass man sich bei einer solchen großen Bandbreite von Geschmacksrichtungen immer auf der Suche nach dem „typischen Whisky“ begibt. Solider Standard!!
Zu meiner Verwunderung war der Gewinner des Abends mit immerhin 9 Punkten ein Islay Whisky. Eigentlich gar nicht so meine Welt, aber der Smokehead Sherrybomb überzeugte durch seine Islay-Raucharomen mit viel Frucht und etwas Vanille. Dieser Whisky verdient seinen Namen wahrlich. Die Reifung in fruchtigen Oloroso Sherryfässern führte dann auch zum Ausschlag für den Sieger des Abends. Die Verwunderung sollte noch zunehmen, denn auf Platz zwei landete der Port Charlotte Islay Barley 2 mit 8 Punkten.
Meine Flops
Auch bei mir kamen die deutschen Vertreter weniger gut an, obwohl ich deutsche Whiskys sehr schätze. Für Aufregung sorgte bei mir der Redbreast 12, den ich mit nur 6 Punkten bewerten konnte. Wiedererkennen, keine Chance! Dabei gefallen mir die Rotkehlchen im wahren Leben sehr gut. Hätte man mich vorher gefragt, ob ich diesen unter verschiedenen Whiskys herausschmecken könnte, hätte ich mit ja geantwortet.
Fazit
Immer wieder gerne! Sehr interessante Erfahrung, die ich jedem nur ans Herz legen kann. Wir konnten sehr viel über Sensorik lernen und hatten einen grandiosen Abend. Mein Dank gilt Julia für die Vorbereitung und Durchführung des Tastings und Alex für Zurverfügungstellung der Location. Wieder einmal konnte man feststellen: „Genuss verbindet“
Eins bleibt noch zu sagen übrig: Wer kam eigentlich auf die Idee, all die schönen Whiskys wieder auszuspucken?
Gordon Graham's Black Bottle - Whiskygraphie
[…] Sherry Bomb, den Bushmills 10 oder den GlenAllachie 12. Wer es genauer wissen will, der kann dies hier […]