Man könnte im Urlaub eigentlich auch mal getrost auf Whisky verzichten und sich den regionalen Getränken des Urlaubslandes widmen. So genieße ich in Spanien auch gerne mal einen Sherry in der Bar, bevorzugt einen Fino, der sehr trocken daherkommt und sich auch wunderbar als Aperitif eignet. Zudem muss man doch auch dafür sorgen, dass die Whisky-Destillerien Nachschub an neuen und frischen Sherryfässern erhalten.
An Whisky bietet die, sehr ordentlich bestückte Hotelbar zudem größtenteils nur absolute Standardware, was aber auch völlig in Ordnung geht. In Anbetracht dessen, dass wir über ein Hotelzimmer mit Balkon unter Palmen verfügen, habe ich mir jedoch zum ersten Mal überhaupt ein paar Samples mitgenommen. Darunter eines des Old Pulteney mit 21 Jahren Reifung in Ex-Bourbon- und Ex-Finosherry-Fässern, das ich mir mal irgendwann irgendwo besorgt hatte.
Eine schöne Sache also, dass ich mir zufällig einen Whisky aus einem Finosherryfass nach Gran Canaria mitgenommen habe. Sehr überrascht war ich aber nach kurzer Rechereche festzustellen, dass für eine Flasche dieses Whiskys mittlerweile Preise von rund 470 Euro aufgerufen werden, wenn man überhaupt noch eine bekommt. Ich hatte von Anfang 2017 einen Preis von ca. 110 Euro in Erinnerung. Das Geheimnis dieses steilen Preisanstiegs und Ausverkaufs ließ sich schnell herausfinden: Im Jahre 2012 hat Jim Murray den Old Pulteney 21 in seiner jährlich aufgelegten Whisky Bible zum Whisky des Jahres gekürt. Im Juni 2017 hat die Destillerie dann verkündet, dass neben der 17-jährigen auch diese 21-jährige Abfüllung eingestellt wird. Den Gesetzen der Branche folgend, setzte dann unaufhaltsam ein Hype um die sich noch im Handel befindlichen Restflaschen ein. Bis zum aktuellen Marktpreis von fast 500 Euro (August 2018). Verrückt. Auch wenn man diese Frage in solchen Preisregionen gar nicht erst stellen sollte: Korreliert das noch mit dem Geschmackserlebnis?
Eigene Abfüllungen unter dem Namen Old Pulteney gibt es erst seit 1997! Seit der Gründung im Jahre 1826 in der Hafenstadt Wick war die Brennerei Pulteney 100 Jahre in Familienbesitz. In der Zeit danach gab es Prohibition, Schließungen und Eigentümerwechsel. Seit 1951 wurde zunächst für die Blendindustrie, vor allem Ballantines, gebrannt. Das „Old“ im Markennamen steht nicht etwa für besonders alten Single Malt, sondern soll bedeuten, dass der Whisky, nach eigener Aussage, besonders schnell reift. Schwer zu beweisen. Der Geschmack des Malts wird typischerweise als maritim und trocken beschrieben. Old Pulteney Whisky wird daher auch der „Manzanilla des Nordens“ genannt, ein weiterer Typ Sherry der in mein Beuteschema passt.
Als Nachfolger für den eingestellten 21er soll es übrigens wieder Single Malts mit Altersangabe geben und keine NAS. Noch muss man sich mit älteren Abfüllungen von Gordon & MacPhail begnügen. Man darf gespannt sein, ob der Hype weiter anhält.
Whisky: Old Pulteney 21
Abfüller: Pulteney
Typ: Single Malt
Land / Region: Schottland / Highlands
Alter: 21 Jahre
Fasstypen: Ex-Finosherry-Fässer und Ex-Bourbon-Fässer
Alkoholgehalt: 46%
Kühlfiltrierung: nein
Färbung: ja
Preis: aktuell ca. 280 bis zu 477 Euro (ursprünglich 110 Euro)
Whiskybase ID: 67790
Auge / Anblick, Farbe:
Dunkles Gold.
Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 8,5
Schon die erste Nase lässt erahnen, dass dieser Whisky nicht einfach ist. Der Geruch kommt von Anfang an ziemlich voluminös daher. Für mich sind es zunächst fruchtig-süße Aromen, Mandarinenschale, Apfel, Most und Nougat. Dann wird es etwas würzig, vielleicht Zimt und Nelken. Ich gebe dem Malt etwas Zeit im Glas. Und tatsächlich entfaltet sich nun auch etwas mehr Eiche und eine frische Brise, die man tatsächlich als maritim bezeichnen kann. Im besten Sinne komplex, es ist aber auch schwer sich festzulegen. Auf der einen Seite würzig, auf der anderen Seite strömt ein süßer Duft aus dem Glas, wie wenn man an einer reifen Charentais- oder Galiamelone schnuppert. Eine Seite zeigt sich weihnachtlich mit kandierten Orangenschalen, eine weitere mit trockenen Weinnoten. Und trotzdem passt alles harmonisch zusammen. Für mich ein herausfordernder Genuss und mir satte 8,5 Punkte wert. Den Fino meine ich zu erahnen, was es mir diesmal einfach macht, da ich erst tags zuvor einen in der Hotelbar zur Flamenco-Show (oder Flamingo, wie meine kleine Tochter meinte) genossen habe.
Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 8,5
Mit einem leichten Prickeln beginnt er im Mundraum und entfaltet schlagartig eine Süße von Mandarinen und grünen Äpfeln, eine fruchtige Säure legt sich um die Zunge. Erinnert an einen trockenen Sekt, der hier in Spanien „champán“ genannt wird. Und hatte ich in der Nase lediglich eine Ahnung von Finosherry, so lässt mein limbisches System keine Zweifel offen und ich erkenne ihn wieder. Ein Fino („der Feine“) ist der trockenste der vier Hauptsorten aus der Region Jerez, enthält aber sehr wenig Säure. Trotzdem schmeckt man bei trockenen Weinen aufgrund des niedrigeren Restzuckergehalts die Säure eher heraus. Dazu entfalten sich Anklänge von Zartbitterschokolade und etwas kräuterig-würziges mit einem Hauch ätherischer Öle, vielleicht Thymian. Doch ziemlich komplex und er macht mir Freude, hier vergebe ich ebenfalls 8,5 Punkte.
Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 8
Im relativ langen Abgang legt sich die Süße schnell nieder, dafür bleibt die leicht herbe Zartbitterschokolade, verbunden mit etwas Orangenzesten, leichter Würze und etwas Vanille. Schade, der Abgang könnte noch länger sein, ich hätte gerne noch etwas von den maritimen Noten erfahren, trotzdem weiß er zu gefallen.
Preisleistung (0 – 10): 7,5
An diesem Punkt wird es schwierig, nach welchem Preis soll ich hier bewerten? Der ursprüngliche zu 110 Euro ging völlig in Ordnung, für diese Summe würde ich mir jederzeit eine Flasche zulegen. Jenseits der 200 Euro macht es nur noch für Sammler Sinn.
Gesamtbewertung (0 – 10): 8
Ein schönes Erlebnis und ein toller Whisky!
Fazit:
Das Finofass hat hier einen Whisky ganz nach meinem Geschmack gezaubert, zunächst weiß man nicht in welche Richtung man hier schmecken soll. Und ehrlich gesagt: Blind verkostet hätte ich ihn aufgrund der undefinierten Vielseitigkeit vielleicht für einen (sehr guten) Blend gehalten und weder Region noch Destille erraten. Aber um die Eingangsfrage zu beantworten: Wer noch eine Flasche dieser Rarität im Schrank stehen hat, soll sich glücklich schätzen. Auch wenn man den Hype irgendwo nachvollziehen kann, auch in diesem Fall korreliert ein Preis jenseits der 400 Euro ganz sicher nicht mit dem Geschmack. Für das Geld gönne ich mir doch lieber noch ein paar Tage Spanienurlaub – und einen Fino-Sherry.
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