Ben Nevis 1970 Jack Wiebers Whisky World

Ein Whisky, der Rätsel aufgibt

Hier hat ein Whisky zu mir gefunden, dessen Beschreibung für mich nicht ganz nachvollziehbar war. So ist dieser Whisky von Ben Nevis als Blended Malt ausgewiesen, liest sich von der Beschreibung her aber wie ein Single Malt oder Single Cask. Würde es sich um ein teaspooned Whisky handeln, so wäre dies nachvollziehbar. Da aber der Name der Destille im Original angegeben ist und dies auch nicht der Serie Old Train Line des Abfüllers entspricht, ist dies unwahrscheinlich. Ich selber konnte nichts dazu in Erfahrung bringen.

Freundlicher Weise konnte mich aber Daniel Freitag, der ausgewiesene Ben Nevis Experte, der auch so nett war mir das Sample zuzusenden, ins Bild setzen. Tatsächlich hat Ben Nevis einige wenige Blended Whiskys produziert und hier handelt es sich um einen davon. Bei dem Single Blend wurden Grain und Malt Whisky vor der Befüllung des Fasses vermählt.

Der Whisky von dem deutschen unabhängigen Abfüller Jack Wiebers Whisky World ist zugleich einer der ältesten und teuersten, die bisher den Weg in mein Glas gefunden haben. Alter und Preis, ob berechtigt oder nicht, korrelieren positiv mit meiner Erwartungshaltung an den Whisky. Eigentlich ist es schon irgendwie pervers so viel Geld für eine Spirituose auszugeben. Und an die Gleichung „je älter, desto besser“ glaube ich auch nicht unbedingt. Dennoch, die Neugier hat gesiegt und so habe ich beim Samplekauf nicht widerstehen können.

Der deutsche Whiskyimporteur Lars-Göran Wiebers, Spitzname Jack, bringt seit 1999 verschiedene Serien von Whiskys auf den Markt, darunter die sehr erfolgreiche, aber bereits eingestellte Scotish Castle, The Cross Hill, Gentle Noses oder eben die Old Train Line, aus der dieser Ben Nevis stammt. Wohl am prominentesten ist die Classic of Islay Reihe, in der junge Islay-Whiskys ohne Nennung der Destille oder des Alters als Einzelfassabfüllungen auf den Markt gebracht werden.

Nun, der Worte sind genug geschrieben. Kurz gesagt eine von mir präferierte Destille mit einem guten Namen, der im Deutschen Schneeberg bedeutet und ein namenhafter Abfüller mit sehr gutem Ruf, ich freue mich auf die Verkostung.

Distille: Ben Nevis
Abfüller: Ben Nevis
Typ: Blended Malt
Land / Region: Schottland / Highlands
Alter: 43 Jahre (März 1970 bis Januar 2014)
Fasstypen: Bourbon Cask mit der No. 21067
Flaschenanzahl: 206
Alkoholgehalt: 44,6%
Kühlfiltrierung: nein
Färbung: nein
Preis: 415 Euro
Whiskybase-ID: 62743

Auge / Anblick, Farbe:

Nase / Geruch, Aroma (0 – 10): 9

Ein tolles Aroma, dass sich vor allem aus der Mischung von Eichen- und süßen Bourbonnoten ergibt, entfaltet sich direkt nach dem Einschenken. Dann ergibt sich, etwas irritierend für mich, aber außerordentlich angenehm, deutlich im Vordergrund der Geruch von Erdbeersirub, der dann aber leider wieder in den Hintergrund entschwindet. Ebenfalls hintergründig und ganz leicht tauchen Zitrone und etwas floral-grasiges auf. Fruchtseitig wird das volle Aroma zentral von sehr reifen Orangen ausgemacht. Peripher findet sich auch ein modrig-lederner Geruch in minimaler Ausprägung. Insgesamt süß, komplex, harmonisch, ausbalanciert und vielschichtig, für mich die 9.

Mund / Geschmack, Körper, Konsistenz (0 – 10): 9

Ein eher verhaltener Antritt und auch nach diesem entfalten sich die Geschmacksaromen eher langsam. Eine sehr angenehme karamellig-schokoladige Süße mit einem Hauch einer bittersüßen Cappuccino-Kaffee-Espresso-Mischung ist zunächst präsent. Außerordentlich fruchtig ist der Malt nicht, die Orange bleibt bestimmend. Die süße wird sehr stimmig um Marzipan und gebrannte Mandeln ergänzt. Der Körper könnte etwas voluminöser ausfallen, die Konsistenz ist ideal cremig und der Alkohol sehr gut eingebunden. Der Malt macht das Süße, in dessen Zentrum gerade nach den ersten beiden Schlücken ein Cappuccino-Marzipan-Gemisch sthet, zum Wesentlichen. Ausgesprochen komplex ist der Whisky nicht unbedingt. Mir gefällt er aber in seiner direkten Klarheit, vielleicht auch einfach, weil er meinen Geschmack genau trifft und daher bewerte ich ihn mit 9.

Rachen, Speiseröhre, Magen / Abgang, Nachklang (0 – 10): 8

Ein mittellanger Abgang, der angenehm nachwärmt, die Geschmacksaromen sehr klar nachklingen lässt, aber durchaus gerne etwas länger anhalten könnte. Eine Bitterkeit lässt sich nur erahnen und jener Eindruck, der von ihr übrig bleibt ist von ungeheurer Güte und Eleganz. Gut, störungsfrei, aber ohne Ergänzung durch weitere Aromen und zu kurz, die 8.

Preisleistung (0 – 10): 5

Für die Hälfte des Preises wäre die Anschaffung möglicher Weise eine Überlegung wert. Aber auch dann, 200 Euro? Für das reine Geschmackserlebnis vermutlich immer noch zu viel.

Gesamtbewertung (0 – 10): 8,5

Fazit: Durchaus ein toller Whisky, der genau meinen Geschmack trifft. Die knapp 84 Punkte in der Whiskybase halte ich für deutlich zu wenig. Hier würde ich ihn mit rund 88 Punkten bewerten. Gemessen am Preis muss man ihn sicher als Enttäuschung auffassen und eine ganze Flasche ist definitiv bei diesem Preis nicht drin. Allerdings bereue ich die Geschmackserfahrung keineswegs, sie war es wert.

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